Zu den Folgestichtagen sind finanzielle Verbindlichkeiten gemäß IFRS 9.5.3.1 i. V. m. IFRS 9.4.2.1 in der Regel mit den fortgeführten (amortisierten) Anschaffungskosten zu bewerten. Die wichtigste Ausnahme betrifft Verbindlichkeiten aus derivativen Finanzinstrumenten; sie sind mit ihrem Zeitwert zu erfassen.

In dem Ausnahmefall gelten die Regelungen für aktive Finanzderivate analog und inklusive der besonderen Vorschriften für die Bilanzierung bei Sicherungsgeschäften.

In den praktisch dominierenden Fällen bleibt es bei der Bilanzierung zu fortgeführten (amortisierten) Anschaffungskosten. Diese ergeben sich bei verzinslichen Schulden aus der Anwendung der Effektivzinsmethode.

 

Beispiel

Die Penny AG erhält am 31.12.00 ein Darlehen von 100 Mio. EUR zu folgenden Konditionen ausgezahlt:

  • Disagio 10 %,
  • Zins (jährlich nachschüssig) 4,98 %,
  • Rückzahlung 31.12.04.

Der Effektivzins beträgt 8 %. Bei Anschaffungskosten von 90 Mio. EUR ergeben sich die fortgeführten Anschaffungskosten wie folgt:

 
  00 01 02 03 04
1.1.   90,00 92,22 94,62 97,21
Effektivverzinsung 8 %   7,20 7,38 7,57 7,77
Zinszahlung   –4,98 –4,98 –4,98 –4,98
31.12. 90,00 92,22 94,62 97,21 100,00

Seit 2005 erlaubte IAS 39, finanzielle Verbindlichkeiten wahlweise der erfolgswirksamen fair-value-Bewertung zu unterwerfen.

Ein Hauptnachteil dieser sog. fair value option soll an einem Beispiel verdeutlicht werden.

 

Beispiel

Unternehmen U rechnete nach internen Planungen kurz- bis mittelfristig mit einer Verschlechterung seiner Bonität. Es gelang ihm, einen größeren Finanzierungsbedarf noch durch Platzierung einer Festzins-Anleihe zu Konditionen erster Bonität zu decken. Die Verbindlichkeit aus der Anleihe wurde nach IAS 39 als Handelsverbindlichkeit gewillkürt.

Einige Zeit nach der Anleihenplatzierung verschlechterte sich die Bonität von U. Neue Fremdmittel hätten nur mit einem erheblich höheren Zinssatz aufgenommen werden können.

Das verschlechterte Rating senkte den Marktwert der Anleihe. U erzielte einen Gewinn aus der verschlechterten Bonität und buchte demzufolge: "per Verbindlichkeit an Ertrag (wegen gesunkener Bonität)".

Derartige Fehlanreize sind ein gewichtiger Einwand gegen die fair value option. Ein weiterer Einwand betrifft die Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit von Abschlüssen. Sie leiden prinzipiell durch die Zulassung von Wahlrechten. Zweifel am Sinn der fair value option waren daher von vielen Seiten bereits in der Entwurfsphase vorgebracht, vom IASB aber zunächst ignoriert worden. Erst als sich die Europäische Zentralbank (EZB) und andere politisch gewichtige Instanzen gegen die Übernahme der fair value option in europäisches Recht aussprachen, hat der IASB zunächst für IAS 39 und später für IFRS 9 eine erneute Änderung beschlossen. Sie schränkt die Option erheblich ein. In der Praxis der Industrie- und Handelsunternehmen sind die restriktiven Voraussetzungen kaum je erfüllt, sodass die Option hier nicht von hoher Relevanz ist.

Eine Ausnahme stellen strukturierte Verbindlichkeiten dar, in die nicht als Eigenkapital zu qualifizierende Derivate eingebettet sind. Nach IFRS 9.4.3.5 kann hier durch Option zum fair value auf die separate Erfassung von Grundvertrag und eingebettetem Derivat verzichtet werden. Jedoch ist der auf Bonitätsänderungen zurückzuführende Teil der fair-value-Schwankungen außerhalb der GuV, nämlich als OCI (other comprehensive income) zu erfassen (IFRS 9.5.7.7). Anders als im vorgenannten Beispiel zu IAS 39 führt die Bonitätsverschlechterung also nach IFRS 9 nicht mehr zu einem GuV-Erfolg.

 

Beispiel

Die X-AG begibt Anfang 01 an der Börse eine festverzinsliche Anleihe, deren Tilgungsbetrag von der Entwicklung des Goldpreises abhängt. Nach den Normalregeln von IFRS 9 wäre die Anleihe in einen Grundvertrag (festverzinsliche Anleihe mit fixem Tilgungsbetrag) und ein eingebettetes Derivat (Termingeschäft auf Gold) zu splitten.

Durch Ausübung der fair value option kann dieser Trennungspflicht entgangen werden. Ein praktischer Vorteil erwächst hieraus dann, wenn der fair value des gesamten Instruments leicht feststellbar ist, etwa weil die Anleihe selbst an der Börse gehandelt wird.

Bonitätsbedingte Wertänderungen, die darauf zurückzuführen sind, dass der Markt das Ausfallrisiko des Unternehmens anders einschätzt als bei Begebung der Anleihe bzw. als zum letzten Stichtag, sind aber als other comprehensive income außerhalb der GuV zu berücksichtigen.

Fortsetzung des Beispiels

Zwischen Anfang 01 und 31.12.01 sinkt der Goldpreis, erhöhen sich die marktüblichen Zinssätze und verschlechtert sich die Bonität der X-AG. Der Börsenkurs der Anleihe liegt daher am 31.12.01 weit unter dem Kurs bei Begebung. Die X-AG muss bei Bilanzierung zum fair value gemäß IFRS 9 wie folgt verfahren:

  • Rechnerische Bestimmung des Kurses, der sich bei Konstanz der Bonität aus der Veränderung der beiden anderen Variablen (Goldpreis und Marktzins) ergäbe; die Differenz zwischen dem so berechneten Kurs und dem Kurs bei Begebung der Anleihe ist GuV-wirksam.
  • Erfassung der noch darüb...

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