Ohne den Begriff der special purpose entities (SIC-12) bzw. der structured entities (IFRS 12) zu verwenden, unterscheidet IFRS 10.B16 ff. gleichwohl zwischen Unternehmen, die aufgrund ihres breiten Aktivitätsspektrums fortlaufender Entscheidungen bedürfen und deshalb in der Regel nur über Stimmrechte oder vergleichbare Rechte kontrolliert werden können, und solchen Unternehmen, die wegen ihres engen, meist im Gründungsakt prädeterminierten Aktivitätsspektrums (Autopilot) wenig fortlaufender Entscheidungen bedürfen und deshalb in der Regel nicht (allein) über Stimmrechte u. Ä. beherrscht werden können.

Vor allem wenn ein Unternehmen der zweiten Kategorie zuzurechnen ist, soll die Beurteilung der Beherrschung folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Zweck und Struktur des Unternehmens,
  • praktische Fähigkeit des Investors, die relevanten Aktivitäten zu bestimmen,
  • spezielle Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen,
  • das Ausmaß, in dem der Investor Ergebnisvariabilitäten (Risiken und Chancen) aus dem untergeordneten Unternehmen ausgesetzt ist.

Gefordert ist eine auf diesen Faktoren beruhende Gesamtbeurteilung. Ähnlich verlangte schon SIC-12.9 "eine Beurteilung unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Faktoren". In der Auslegungs- und Anwendungspraxis wurde dies jedoch weitergehend vernachlässigt. Von vier Faktoren – Geschäftstätigkeit entsprechend den Bedürfnissen des Berichtsunternehmens, in wirtschaftlicher Betrachtung Entscheidungsmacht, Mehrheit der Chancen, Mehrheit der Risiken – wurden nur die beiden letzten berücksichtigt. Der nachvollziehbare Grund hierfür war die (scheinbar) unterschiedliche Trennschärfe der Anforderungen. Im Vergleich zu dem quantifizierbaren Kriterium der Risiko- und Chancenmehrheit (> 50 %) erschienen die beiden anderen Faktoren (stärker) ermessensbehaftet. Die Praxis folgte daher den klareren Faktoren.

Die in IFRS 10 genannten Faktoren sind demgegenüber alle in ähnlichem Maße ermessensbehaftet. Auch für Risiken und Chancen wird nicht mehr eine quantitative Schwelle (> 50 %) formuliert, sondern lediglich die Vermutung, dass Kontrolle umso eher vorliegt, je stärker die Beteiligung an Risiken und Chancen ist. Weder widerlegt damit ein unter 50 % liegender Anteil an Risiken und Chancen die Beherrschungsvermutung noch bestätigt ein über 50 % liegender Anteil diese. Bestenfalls lässt sich sagen: bei einem Risiko-Chancen-Anteil von unter 50 % müssen die anderen Faktoren umso deutlicher Kontrolle indizieren, um in der Gesamtwürdigung eine Beherrschung anzunehmen; umgekehrt müssen bei einem Anteil von mehr als 50 % die anderen Faktoren umso deutlicher gegen eine Kontrolle sprechen, um in der Gesamtwürdigung eine Beherrschung zu verneinen. Der Verzicht auf eine harte Risiko-Chancen-Grenze (bright lines) zwingt damit dazu, die schon in SIC-12 programmatisch vorgesehene Gesamtwürdigung nach IFRS 10 tatsächlich vorzunehmen.

Typische Anwendungsfälle strukturierter Unternehmen sind wie folgt:

  • ABS-Gesellschaften (asset-backed securities): Sie kaufen Forderungen vom Sponsor an und refinanzieren sich durch die Ausgabe von durch diese Forderungen besicherten Wertpapieren an externe Investoren. Der Forderungsverkauf durch den Sponsor selbst unterliegt im Wesentlichen den Regeln von IFRS 9. Nach ihnen ist zu entscheiden, ob die Forderungen aus der Einzelbilanz des Sponsors abgehen. Ob sie, einen Abgang aus der Einzelbilanz unterstellt, im Konzernabschluss verbleiben, entscheidet sich nach IFRS 10.
  • Leasingobjektgesellschaften: Im typischen Fall wird für die Leasinggegenstände eine GmbH & Co KG als Leasingobjektgesellschaft gegründet. Komplementär der Leasingobjektgesellschaft ist z. B. ein eigens dafür gegründetes Tochterunternehmen des externen Leasinggebers. Die Kommanditistenstellung übernimmt der Sponsor, der durch Garantien, eine hohe Haftsumme usw. auch die wesentlichen Risiken behält. Überlässt die externe Leasinggesellschaft die Leasinggegenstände im finance lease der Objektgesellschaft, diese aber im operating lease dem Sponsor, so sind die Leasingobjekte und Leasingverbindlichkeiten im Einzelabschluss des Sponsors nur als Nutzungsrecht (right-of-use) und im Konzernabschluss nur unter den Voraussetzungen von IFRS 10 zu zeigen.
  • Spezialfonds: Das Investmentrecht kennt neben Publikumsfonds mit breitem Anlegerkreis sog. Spezialfonds mit begrenztem Anlegerkreis. Der Anleger hat kein ideelles (Bruchteils-)Eigentum an den Wertpapieren, sondern lediglich einen Auszahlungsanspruch in Höhe seines Anteils am Sondervermögen des Fonds. Die Anteilsscheine am Fonds sind Wertpapiere. Handelsrechtlich wird hieraus gefolgert, dass das Bilanzierungsobjekt die Anteilsscheine sind. § 290 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 HGB erlaubt die gleiche Behandlung im Konzernabschluss. IFRS 10 verlangt hingegen ggf. eine Konsolidierung. Durch die Struktur eines Schirmfonds (umbrella fund) kann die Konsolidierungspflicht dann nicht umgangen werden, wenn eine Mehrheit an einem haftungsmäßig abgekapselten Subfonds besteht.

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