1 Einführungsplanung

Die alten Germanen hatten den weisen Brauch, jede wichtige Entscheidung zweimal zu bedenken: einmal im nüchternen Zustand, damit es nicht an Vernunft mangelte, ein zweites Mal im trunkenen Zustand, um die nötige Phantasie, Entschlussfreude und Durchsetzungskraft zu finden. Manches um die Jahrtausendwende zu unrühmlichen Schlagzeilen gelangte Unternehmen hatte diese gute Regel auf den Kopf gestellt. Erst wurden (über-)mutig Phantasien aufgebaut, dann von realitätsverlustigen Finanzvorständen in der Wirtschaftspresse verkündet, "dass man kein typischer Buchhalter sei und Kommunikation für wichtiger halte, als das HGB auswendig zu lernen", um später doch durch die Ereignisse und Investoren zum Blick in die eigenen Bücher und Bilanzen gezwungen zu werden. Shareholder value, Investor Relations und vergleichbare Konzepte sind dadurch in Verruf geraten. Aber nicht die Konzepte sind falsch, sondern der vernunftfreie Umgang mit ihnen.

Was den (rationalen) Anteilseigner interessiert, ist die Fähigkeit des Unternehmens, zukünftig positive Ergebnisse bzw. Cashflows zu erzielen. Die objektivste Beurteilungsgrundlage hierfür bleiben die tatsächlichen Zahlen der Gegenwart und Vergangenheit, sofern sie

  • tatsachengetreu,
  • relevant und
  • (im Interesse der Trendbeurteilung) vergleichbar sind.

Damit sind die Kriterien genannt, die das IFRS-Regelwerk im Conceptual Framework in den Mittelpunkt stellt. Der Nutzen für die Entscheidung (decision usefulness) und nicht ein gläubigerschutzorientiertes Vorsichtsprinzip soll diese Rechnungslegung bestimmen.

Die Rechnungslegung nach IFRS befindet sich europaweit und global auf dem Vormarsch. Dies hat die EU und den deutschen Gesetzgeber veranlasst, IFRS ab 2005 für Konzernbilanzen börsennotierter Unternehmen vorzuschreiben und für andere Unternehmen zuzulassen.

Der Übergang auf die IFRS-Rechnungslegung ist jedoch keine kleine Aufgabe. Er will wohl bedacht, akribisch geplant und mutig umgesetzt sein. Die nachfolgenden Überlegungen sollen hierfür eine Leitlinie liefern, die auf den Einzelfall anzupassen ist.

 
IFRS-Einführungsplanung
Phase Inhalt/Aufgaben/Fragen/Beispiel
1. Problemformulierung und Grundentscheidung

Feststellung kommunikativer Defizite im Rechnungswesen,

Strukturierung und vorläufige Beurteilung Handlungsalternativen,

Grundentscheidung (soweit nicht ohnehin wegen Börsennotierung verpflichtet)
1.1. Problemformulierung

Problemerkennung und Problembeschreibung,

Außenkommunikation: z. B. Eigenkapitalquote schwach, Gewinn schwankend wegen langfristiger Fertigung;

Innenkommunikation: z. B. Quartalsberichte ausländischer Tochterunternehmen verzögert/uneinheitlich;

erfolgsorientierte Vergütungssysteme Inland/Ausland
1.2. Handlungsalternativen
  1. Weiter so? – oder – Internationalisierung?
  2. HGB oder IFRS als führende FiBu?
1.3. Beurteilung der Alternativen Vorläufige Abschätzung Kosten sowie Wirkung auf
Kreditgeber, Gesellschafter/Aktionäre, Aufsichtsrat, Konzern­reporting und Konzernsteuerung
1.4. Grundentscheidung Z. B. IFRS ab 20xx als führende FiBu
2. Projektinitiierung und -planung

Planung sachlich, personell, zeitlich, budgetmäßig, was, von wem, wann, mit welchem Aufwand zu tun ist:

  1. Sachlich (Welche Aufgabenfelder?)
  2. Personell (Wer macht was?)
  3. Zeitlich (In welcher Abfolge und bis wann?)
  4. Budgetmäßig (Welche Kosten?)
2.1. Feststellung Know-how Vorhandenes internes Know-how, Berücksichtigung bei (ohnehin) geplanten Neueinstellungen, externes Know-how
2.2. (Erste) Projektgruppe Leiter, Mitglieder, Anbindung an Geschäftsführung, Berichtspflichten (Wer an wen?) Einbeziehung EDV?
2.3. Aufgabengliederung
  1. (Vorläufige) Abweichungsanalyse IFRS-HGB nach z. B. Anlagevermögen + Leasing, Finanzvermögen + Forderungen + Verbindlichkeiten + Rückstellungen, Vorratsvermögen + Umsatzrealisierung; GuV nach UKV oder GKV; latente Steuern in Bilanz+ GuV,
    Konsolidierungskreis und Konsolidierungsmethode
  2. Bedarfsfeststellung
    Datenbedarf intern (z. B. Kostenrechnung) und extern (z. B. Pensionsgutachter, Grundstücksgutachter), Vereinheitlichungsbedarf (Bilanzierungsrichtlinie inkl. notes), Schulungsbedarf
  3. Arbeitsbilanz und Bilanz
2.4. Personelle Planung Personelle Zuordnung Aufgabenfelder, Berichtspflichten, sonstige Verantwortlichkeiten
2.5. Zeitliche Planung Wann und in welcher Abfolge, was?
 
  1. Erstschulung (Projektmitglieder)
  2. Vorläufige Abweichungsanalyse (vorvorletzte Bilanz vor Einführung)
  3. Veranlassung interne und externe Datenzuführung
  4. Zweitschulung (Projektmitglieder)
  5. IFRS-Arbeitsbilanz (auf vorletzten Stichtag vor Einführung)
  6. Drittschulung (Projektmitglieder)
  7. Vorläufige Bilanzierungsrichtlinie
  8. IFRS-Bilanz (auf vorletzten Stichtag vor Einführung)
  9. Endgültige Bilanzierungsrichtlinie
  10. Validierung IFRS-Bilanz (auf vorletzten Stichtag vor Einführung)
  11. Validierung Bilanzierungsrichtlinie
  12. Ggf. Korrekturen zu Bilanzierungsrichtlinie
  13. Schulung sonstige Anwender
  14. Kommunikation nach außen
  15. Implementierung IFRS-Bilanz und IFRS-gestütztes Konzernreporting
3. Realisation Umsetzung Planung, Erarbeitung IFRS-Arbeitsbilanz, Bilanzierungsrichtlinie,...

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