Leitsatz

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei einer unzureichenden Dokumentation von aufzeichnungspflichtigen Bareinnahmen eines Gastwirts die von betriebsinternen Daten ausgehende Quantilsschätzung grundsätzlich eine sachgerechte Schätzungsmethode zur Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen darstellt und dass der Streuung der Rohgewinnabschlagsätze mit dem Ansatz eines 80 %-Quantils ausreichend Rechnung getragen ist, wenn saisonale Schwankungen, konjunkturelle Schwankungen oder sonstige in der Betriebsstruktur angelegte Besonderheiten von Gewicht weder geltend gemacht noch sonst erkennbar sind

 

Sachverhalt

Der Antragsteller im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung betrieb in den Streitjahren zusammen mit seiner Ehefrau als GbR eine Gaststätte. Ihren Gewinn ermittelte die GbR gem. § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmenüberschussrechnung. In den Feststellungserklärungen für die Streitjahre erklärte die GbR Gewinne, denen Rohgewinnaufschlagssatz von 151 % bzw. 181 % des Wareneinsatzes zugrunde lag. Bei einer Betriebsprüfung monierte der Prüfer für die Streitjahre erhebliche Aufzeichnungsmängel. Weder sei ein Kassenbuch geführt, noch ein Kassenbericht gefertigt worden. Es sei u. a. nicht erkennbar, ob alle Kellnerbons vollständig in der Tagesliste enthalten seien, weil diese kein Ordnungskriterium enthielten und nicht einzeln aufbewahrt worden seien. Ordnungsgemäße Tageskassenberichte seien nicht vorgelegt worden.

Weiterhin stellte der Prüfer fest, dass für mehrere Tage keine Aufzeichnungen vorlagen. Aufgrund der formellen und materiellen Mängel der Aufzeichnungen wurden die Besteuerungsgrundlagen durch die Betriebsprüfung geschätzt. Hierbei nahm der Prüfer eine Quantilsschätzung vor. Dabei wurden die Umsätze durch eine auf den Zeitraum von 24 Monaten bezogene Quantilsschätzung mit dem 80 %-Quantil des RGAS (= 231 %). Der hiergegen gerichtete Einspruch ist noch anhängig.

 

Entscheidung

In der Entscheidung über dem beim Finanzgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das Gericht keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geänderten Feststellungsbescheide.

Die von dem Antragsgegner vorgenommene Hinzuschätzung der Ausgangsumsätze begegnet nach Auffassung des Finanzgerichts dem Grunde nach keinen tatsächlichen oder rechtlichen Bedenken. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat auf den Beschluss vom 9.1.2017 (Az.: 4 V 4265/15) Bezug. In diesem Verfahren hatte der Senat die Quantilsschätzung im Streitfall für sachgerecht erachtet, weil nach dieser Schätzungsmethode der normale Geschäftsverlauf als repräsentativ angesehen wird und zudem mit der vorsichtigen Wahl des obersten Werts mit dem 80 %-Quantil die objektivierte Leistungsfähigkeit unabhängig von Extremwerten berücksichtigt wird und alle betrieblichen Besonderheiten abgebildet werden.

Das Finanzgericht hat die Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, denn der erkennende Senat weicht mit seiner Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit einer Quantilsschätzung von dem Beschluss des 5. Senats des FG Berlin-Brandenburg vom 24.8.2016 (Az.: 5 V 5089/16) mit der Konsequenz ab, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs dazu geboten erscheint, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Quantilsschätzung für zulässig erachtet wird. Der 5. Senat hatte in seiner Entscheidung zur Umsatzsteuer die Ermittlung eines Quantils im Hinblick auf die in den Monaten des Streitzeitraums geltenden Rohgewinnaufschlagsätze lediglich als eine Verprobungsmethode angesehen, aber nicht als zulässige Schätzungsmethode anerkannt. Folglich hatte er ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer auf Grundlage der Quantilsermittlung vorgenommenen Hinzuschätzung von Umsätzen.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.01.2017, 4 V 4255/15

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