Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Bilanzänderung bei Bilanzierungswahlrechten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Einzelfall nicht beeinträchtigt sind, ist § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. trotz der aufgrund der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 9 EStG eintretenden echten Rückwirkung auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 anwendbar.

2. Eine Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 52 Abs. 9 EStG kommt auch für vergangene Zeiträume in Betracht, wenn sie sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt oder die Rechtsfolgen der Bilanzänderung wegen fehlender Ausübung eines Bilanzierungswahlrechts noch nicht eingetreten sind.

3. Ist ein Antrag auf Zustimmung zur Bilanzänderung bereits vor dem 1.1.1999 gestellt worden und bestand ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf Erteilung der Zustimmung, ist § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. anzuwenden.

4. Bilanzierungswahlrechte, z.B. die Vornahme der Sonderafa nach § 76 EStDV für einen Zeitraum vor 1999, können, sofern die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. nicht vorliegen, nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Antrag auf Bilanzänderung nach Geltung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. gestellt wird.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 2 S. 2, § 52 Abs. 9; EStDV § 76

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.03.2004; Aktenzeichen IV R 2/02)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die rechtliche Zulässigkeit einer Bilanzänderung.

Die Kläger (Kl.) werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl. erzielt als Landwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (LuF), die durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG -) ermittelt werden.

Für das Streitjahr 1992 führte das Finanzamt (FA) aufgrund der eingereichten Erklärung eine Einkommensteuerveranlagung durch, bei der unter Zugrundelegung erklärter Einkünfte aus LuF in Höhe von DM 46.552,-- (1991/92 DM 40.090,--, 1992/93 DM 53.014,--) im Einkommensteuerbescheid vom 10. März 1994 eine Einkommensteuer in Höhe von 0,-- DM festgesetzt wurde.

Aufgrund einer Mitteilung der Steuerfahndungsstelle beim FA K. (Steufa) über nicht erklärte Einnahmen aus Kapitalvermögen änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1992 am 17. September 1999 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und setzte eine Einkommensteuer in Höhe von DM 1.400,-- fest.

Mit dem Einspruch beanspruchten die Kl. eine Sonderabschreibung nach § 76 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von DM 15.000,-- im Wirtschaftsjahr 1992/93 auf einen im Juli 1990 erworbenen Mähdrescher. Aufgrund der damit verbundenen Gewinnreduzierung wäre für das Streitjahr 1992 eine Einkommensteuer nicht festzusetzen.

Das FA wies den Rechtsbehelf mit Einspruchsentscheidung vom 18. November 1999 mit der Begründung zurück, dass auf der Grundlage des nach § 52 Abs. 9 EStG auch rückwirkend anwendbaren § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG in der damals gültigen Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 die beantragte Ausübung eines Bilanzierungswahlrechtes ausgeschlossen sei.

Hiergegen richtet sich die vorliegenden Klage. Nach Auffassung der Kl. ist die Neufassung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG verfassungswidrig, da sie zu einer Ungleichbehandlung von bilanzierenden Steuerpflichtigen (Stpfl.) im Vergleich zu den nichtbilanzierenden führe. Bei § 52 Abs. 9 EStG handele es sich um eine nachträglich ändernd in abgewickelte Tatbestände eingreifende und damit verfassungswidrige Norm (sog. echte Rückwirkung).

Wegen des klägerischen Vorbringens im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 10. Dezember 1999 (Blatt 1-3 Finanzgerichtsakten), 11. Februar 2000 (Blatt 14 Finanzgerichtsakten), 29. Juni 2000 (Blatt 26 und 27 Finanzgerichtsakten) und 20. August 2001 (Blatt 33 und 34 Finanzgerichtsakten) Bezug genommen.

Die Kl. beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides vom 17. September 1999 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18. November 1999 die Einkommensteuer für 1992 auf 0,-- DM herabzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf seine Schriftsätze vom 14. März 2000 (Blatt 18-20 Finanzgerichtsakten) und 11. Oktober 2001 (Blatt 40 und 41 Finanzgerichtsakten) wird verwiesen.

Dem Gericht haben von dem beim beklagten FA für die Kl. zu Steuer-Nr. XX geführten Akten ein Band Einkommensteuerakten, ein Sonderband Fahndungsberichte sowie ein Bilanzhefter vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kl. keine Sonderabschreibungen gemäß § 76 EStDV unter Änderung der eingereichten Bilanz vornehmen kann.

Während mit einer Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG) ein fehlerhafter Bilanzansatz korrigiert wird, liegt eine Bilanzänderung vor, wenn ein zulässiger Bilanzansatz durch einen anderen zulässigen Bilanzansatz ersetzt werden soll. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. war eine solche Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur mit Zustimmung des FA möglich, die nach der ...

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