Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG bei Grundstücksübertragungen aufgrund des Übergangs von öffentlich rechtlichen Aufgaben auf einen anderen Träger

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Durch die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 GrEStG sollen Grundstücksbewegungen zwischen Körperschaften mit Hoheitsbefugnissen steuerfrei gestellt werden, wenn ein Grundstück im Nachgang zu einer verwaltungsinternen Aufgabenverschiebung den Eigentümer wechselt.
  2. Der Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 1 GrEStG greift nur ein, wenn der Trägerwechsel zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts stattfindet.
 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1; GG Art. 28 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2009

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.11.2016; Aktenzeichen II R 12/15)

 

Tatbestand

Der Kläger ist eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, die durch den Kreisausschuss vertreten wird.

Der Kläger hatte in 1992 mit einer Beteiligung von 76,52 % die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) gegründet. Weitere Gesellschafter waren X (9,56 %) sowie eine Anzahl von Gemeinden zu je 0,87 %. Aufgabenkreis der gGmbH war die Entwicklung und Bereitstellung besonderer Angebote zur Beratung und Betreuung von Asylberechtigten, Personen, die sich um Asyl bewarben, Flüchtlingen und Obdachlosen, sowie der Erwerb und die Bewirtschaftung geeigneter Grundstücke, die ausschließlich zu sozialen und humanitären Zwecken verwendet werden, und die Vornahme aller hiermit in direktem oder indirektem Zusammenhang stehenden Handlungen und Geschäfte.

Zum 31.12.2008 wurde die gGmbH aufgelöst, weil der Kläger die Grundversorgung von Asylbewerbern wieder selbst übernehmen wollte. Im Rahmen der Liquidation zog der Kläger alle weiteren Gesellschaftsanteile ein, so dass er zum alleinigen Gesellschafter der gGmbH i.L. wurde.

Mit Vertrag vor dem Notar vom 25.08.2009 (Urkundenrolle-Nr. 665 für das Jahr 2009) übertrug die gGmbH i.L. dem Kläger die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke in „Stadt A, Straße, Flur ”. In den Vorbemerkungen des Vertrags wird darauf hingewiesen, dass der Kläger Alleingesellschafter der gGmbH ist. Der Kaufpreis betrug 2.140.000,00 €.

Das Finanzamt übernahm diesen Betrag als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer und setzte diese mit Bescheid vom 24.09.2009 auf 74.900,00 € fest. Das sich anschließende Einspruchsverfahren blieb für den Kläger erfolglos. Das Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 12.03.2010 als unbegründet zurück.

Mit der anschließend erhobenen Klage macht der Kläger ausschließlich geltend, deshalb in seinen Rechten verletzt zu sein, weil der Übertragungsvertrag vom 25.08.2009 gemäß § 4 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbefreit sei. Zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes reiche es aus, wenn ein Grundstück im Rahmen eines Trägerwechsels zur Durchführung einer öffentlichen Aufgabe von einer juristischen Person (auch des Privatrechts) auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts übergehe. Nach dem Wortlaut der Befreiungsvorschrift komme es allein auf die Begünstigung des übernehmenden Trägers als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft an. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb es sich bei der übertragenden Gesellschaft ebenfalls um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handeln müsse. Jedenfalls sei die gGmbH zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabevertrages zu 100% vom Kläger beherrscht worden, sodass die Versagung der Steuerbefreiung auf einer unangebrachten formellen Betrachtungsweise beruhe.

Der Kläger beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 29.09.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.03.2010 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es beruft sich darauf, dass die übertragende gGmbH eine juristische Person des privaten Rechts sei, wenn auch als gemeinnützig anerkannt. Damit könne die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 GrEStG tatbestandlich nicht eingreifen. Im Übrigen werde auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug genommen, auf die das Gericht verweist.

Mit Schriftsätzen vom 19.05.2010 und vom 01.06.2010 verzichteten die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Dem Senat lag zu Steuernummer ein Band Grunderwerbsteuerakten vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig. Der Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 28.08.2009 ist ein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbarer Erwerbsvorgang, weil hierdurch der Anspruch des Klägers auf Übereignung der Grundstücke begründet wurde. Die vom Finanzamt berücksichtigte Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Grundstückserwerb war nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.

1. Nach § 4 Nr. 1 GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts von der Besteuerung ausgenommen, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-recht...

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