Rz. 67

Ein zusätzlicher Erweiterungstatbestand bildet die sogenannte Vermehrung der Substanz ab. Dieser Fall muss geprüft werden, wenn gerade keine Vergrößerung der nutzbaren Fläche erfolgt.[1] Vielmehr sollen nachträgliche Herstellungskosten vorliegen, wenn bisher nicht vorhandene Bestandteile in das Gebäude eingebaut bzw. eingefügt werden.[2] Es muss durch das Hinzufügen des nun neuen Gebäudebestandteils auch eine neue Funktion ausgeübt werden.[3] Die Substanzvermehrung muss sich auf den Vermögensgegenstand als Ganzes, auf seine zweckbestimmte Nutzungsmöglichkeit und nicht nur auf einzelne unselbstständige Teile beziehen.[4] Beispielhaft lassen sich hier das Einsetzen von zusätzlichen Trennwänden, die Errichtung einer Außentreppe oder einer Treppe zum Spitzboden, der Einbau einer Alarmanlage,[5] einer Sonnenmarkise[6] eines Kachelofens oder eines Kamins nennen.[7]

 

Rz. 68

Keine zu Herstellungsaufwendungen führende Substanzvermehrung, sondern sofort abzuziehender Erhaltungsaufwand, ist gegeben, wenn ein unselbstständiger Gebäudebestandteil ersetzt wird und der neue Bestandteil oder die neue Anlage die Funktion des bisherigen Gebäudebestandteils für das Gebäude in vergleichbarer Weise erfüllt. Das ist auch dann der Fall, wenn der neue Gebäudebestandteil zwar für sich betrachtet nicht die gleiche Beschaffenheit aufweist wie der bisherige oder die Anlage technisch nicht in der gleichen Weise wirkt, sondern lediglich entsprechend dem technischen Fortschritt modernisiert worden ist.[8]

 

Rz. 69

 
Praxis-Beispiel

Werden in einem Gebäude Gasradiatorenheizungen durch eine Gasheizung mit Warmwasserzirkulation[9] oder werden Kohleöfen durch eine Zentralheizung ersetzt,[10] so liegt Erhaltungsaufwand vor. Wird aber ein Kachelofen zusätzlich zu einer bereits vorhandenen Heizung eingebaut, handelt es sich wiederum um eine Substanzvermehrung und folglich um Herstellungsaufwand.[11] Ebenso liegen z. B. Erhaltungsaufwendungen bei dem Anbringen einer zusätzlichen Fassadenverkleidung zu Wärme- oder Schallschutzzwecken,[12] dem Ersatz eines Flachdaches durch ein Satteldach, ohne dadurch die nutzbare Fläche bzw. die Nutzungsmöglichkeit zu erweitern, dem Vergrößern von vorhandenen Fenstern und dem Versetzen von Wänden vor.[13]

 

Rz. 70

Die Finanzverwaltung geht auch dann von Erhaltungsaufwand aus, wenn ein neuer Gebäudebestandteil lediglich deshalb dem Gebäude hinzugefügt wird, um bereits eingetretene Schäden zu beseitigen oder einen konkret drohenden Schaden abzuwenden. Der neue Gebäudebestandteil erfüllt dann die Funktion des bisherigen Gebäudeteils in vergleichbarer Weise.[14] Hierdurch wird zwar messbar die Substanz vermehrt. Wirtschaftlich soll jedoch lediglich die vorhandene Substanz erhalten bleiben. Dies ist z. B. der Fall bei Errichtung einer Betonschale zur Trockenlegung von durchfeuchteten Fundamenten[15] oder der Installation eines Glasdaches über Wohnungszugängen oder Dachterrassen zum Schutz vor weiteren Wasserschäden.[16] Diese Aufwendungen sind abzugrenzen von Aufwendungen für die Wiederherstellung.[17]

 

Rz. 71

Nach Ansicht des BFH reicht in Ausnahmefällen auch eine bloße erhebliche Vergrößerung nicht aus, um diese unter eine Substanzvermehrung fassen zu können. Im Streitfall wurde eine Fabrikhalle um mehr als 50 % ihres bisherigen Rauminhalts vergrößert. Dadurch wurde aber lediglich die Höhe des Raums erhöht, ohne dass hierdurch die nutzbare Fläche vermehrt wurde und die gewonnene Raumhöhe erforderlich gewesen wäre, um andere Maschinen aufzustellen. Die bestimmungsgemäße Nutzungsmöglichkeit hat sich somit nicht geändert bzw. wurde nicht erweitert.[18]

[2] Kulosa, in Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 6 EStG Rz. 177; Schindler, in Kirchhof, EStG Kommentar, 18. Aufl. 2019, § 6 EStG Rz. 59.
[3] IDW RS IFA 1, Rz. 5.
[4] BFH, Beschluss v. 22.8.1966, GrS 2/66, BStBl 1966 III S. 672; Schubert/Hutzler, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 380.
[11] FG Münster, Urteil v. 17.12.1985, VI–XI 6431/83 E, EFG 1986 S. 336.
[13] BMF, Schreiben v. 18.7.2003, IV C 3 – S 2211 – 94/03, BStBl 2003 I S. 386, Rz. 23; Kulosa, in Schmidt, EStG, 38. Aufl. 2019, § 6 EStG Rz. 174.

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