2.1.2.1 Material- und Fertigungsgemeinkosten

 

Rz. 24

Sowohl Material- als auch Fertigungsgemeinkosten gehören handels- und steuerrechtlich gemäß § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG zu den zwingend einzubeziehenden Bestandteilen der Herstellungskosten. Materialgemeinkosten sind die mit der Lagerung und Wartung des Materials in Zusammenhang stehenden Kosten. Unter dem Begriff der Fertigungsgemeinkosten versteht man die im Fertigungsbereich anfallenden Gemeinkosten.[1]

 

Rz. 25

Die Abgrenzung zwischen den Begriffen Material- und Fertigungsgemeinkosten erweist sich im Einzelfall mitunter schwierig. Seitens der Finanzverwaltung wurde in R 6.3 Abs. 2 EStR ein Katalog von Kostenstellen aufgelistet, welche zu den Material- und Fertigungsgemeinkosten gehören. Dies sind unter anderem die Aufwendungen für folgende Kostenstellen:[2]

  • Lagerhaltung,
  • Transport des Fertigungsmaterials,
  • Prüfung des Fertigungsmaterials,
  • Vorbereitung der Fertigung,
  • Kontrolle der Fertigung,
  • Werkzeuglager,
  • Betriebsleitung,
  • Raumkosten,
  • Sachversicherungen,
  • Unfallstationen und Unfallverhütungseinrichtungen der Fertigungsstätten und
  • Lohnbüro, soweit in ihm die Löhne und Gehälter der in der Fertigung tätigen Arbeitnehmer abgerechnet werden.
 

Rz. 26

Die Material- und Fertigungsgemeinkosten unterliegen als einbeziehungspflichtige Bestandteile der Herstellungskosten einem Angemessenheitsvorbehalt.[3] Nur solche Aufwendungen, die mit Blick auf den Herstellungsvorgang als "normal" anzusehen sind, können als angemessen erachtet werden.[4] Als praktikabler Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit kann die Ableitung einer Normalauslastung – beispielsweise bezogen auf ein Betriebsteil – aus der Durchschnittsauslastung der vergangenen Perioden dienen.[5] Alternativ kann in Betracht gezogen werden, die Angemessenheit in der Weise zu ermitteln, dass der tatsächlichen Produktion – unabhängig von arbeitsrechtlichen Einschränkungen – ein normales Beschäftigungsniveau zugrunde gelegt wird.[6] Letztendlich ergeben sich im Rahmen des Angemessenheitsvorbehaltes gewisse Bandbreiten, denn oftmals sind Vergleichswerte nicht eindeutig bestimmbar.[7]

 

Rz. 27

Eine weitere Einschränkung hinsichtlich der Einbeziehung von Material- und Fertigungsgemeinkosten ergibt sich dadurch, dass sie nur insoweit in die Herstellungskosten berücksichtigt werden dürfen, wie sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Obgleich § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB dies explizit nur für die Wahlbestandteile anordnet, gilt diese Einschränkung auch für die aktivierungspflichtigen Gemeinkostenbestandteile des § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB.[8] Steuerlich besteht diese Einschränkung ebenso.

[1] Schubert/Hutzler, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 423.
[3] Krumm, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 2018, § 255 HGB Rz. 68.
[4] Krumm, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 2018, § 255 HGB Rz. 69.
[5] Christiansen, StBP 1986, 173; Krumm, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 2018, § 255 HGB Rz. 69; Schubert/Hutzler, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018 Rz. 438.
[6] Krumm, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 2018, § 255 HGB Rz. 68.
[7] So auch Krumm in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 2018, § 255 HGB Rz. 68.
[8] Krumm, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 2018, § 255 HGB Rz. 70.

2.1.2.2 Wertverzehr des Anlagevermögens

 

Rz. 28

Für den Wertverzehr des Anlagevermögens respektive für die Abschreibungen kommt gemäß der gesetzlichen Normierung eine Aktivierung als Herstellungskosten nur in Frage, soweit er bzw. sie durch die Fertigung im technischen und wirtschaftlichen Sinne selbst veranlasst worden ist;[1] der Fertigungsprozess muss das auslösende Moment für die Abschreibungen des Anlagevermögens sein. Es darf daher nur der für die Fertigung notwendige und angemessene Wertverzehr berücksichtigt werden.[2] Da die Aufwendungen auch von der Produktionsauslastung abhängig und insoweit veränderlich sind, qualifizieren sich diese als variable Gemeinkosten.

 

Rz. 29

Dahingehend stellt sich die Frage, ob ein Rückgriff auf kalkulatorische oder auf bilanzielle Abschreibungen stattfinden soll. Aufgrund der Ableitung der Herstellungskosten aus der Kostenrechnung ist ein Einbezug der kalkulatorischen Abschreibungen sinnvoll. Damit jedoch dem Grundsatz der Pagatorik Rechnung getragen wird, sind die bilanziellen Abschreibungen als Obergrenze anzusehen.[3] Bei bilanziell vorgenommenen außerplanmäßigen Abschreibungen soll diese Obergrenze allerdings nicht zur Wirkung gelangen.[4] Zu berücksichtigen ist, dass bei den kalkulatorischen Abschreibungen nicht von den Wiederbeschaffungskosten als Abschreibungsgrundlage auszugehen ist, sondern von den tatsächlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten; dies gilt auch dann, wenn die bilanziellen Abschreibungen nicht überschritten werden. Damit wird des Weiteren das Nominalwertprinzip berücksichtigt.[5]

 

Rz. 30

Als notwendige und angemessene Höhe der Abschreibungen kann hierbei auf die Einkommensteuerrichtlinien zurückgegriffen werden. Nach R 6.3 Abs. 4 EStR ist als Wertverzehr des der Fertigung dienenden Anlagevermögens bei...

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