Rz. 39

Vertriebskosten – unabhängig ihrer Eigenschaft als Einzel- oder Gemeinkosten[1]  – dürfen gemäß gesetzlicher Anordnung weder handelsrechtlich (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB) noch steuerrechtlich[2] als Herstellungskosten aktiviert werden. Vertriebskosten fallen nicht im Rahmen des Herstellungsprozesses selbst an, sondern im Zuge der Verteilung der hergestellten Produkte[3] und stellen dadurch auch keine Herstellungskosten dar. Für sie besteht daher unter rein sachlichen Gesichtspunkten grundsätzlich ein explizites und umfängliches Aktivierungsverbot.[4]

 

Rz. 40

Als typische Vertriebskosten kommen dabei die folgenden Kosten in Betracht: Werbeaufwand durch Inserate, Rundfunk- und Fernsehwerbung, Internet, Reklamefeldzüge und Reklamematerial, Marktuntersuchungen, die dem Vertrieb dienen, Aufwand für Ausstellungen und Messen, Verkäuferschulung, Reisekosten der Verkäufer, Ausgangsfrachten, Transportversicherung, Verkaufsprovisionen für Verkaufsverträge, Sonderprovisionen an Dritte, Ausfuhr-Kreditversicherung (Hermes), sonstige Versicherungen für Delkredererisiko, umsatzabhängige Lizenzgebühren, Kosten für Liefer- und Anzahlungsgarantien, unternehmensexterne Abnahmekosten (z. B. HU/AU-Gebühren bei Fahrzeugen), ausländische Kostensteuern sowie Konventionalstrafen.[5]

 

Rz. 41

Die Abgrenzung zwischen Herstellungs- und Vertriebskosten gestaltet sich mitunter schwierig und kann anhand der Einzelrechtsprechung nachvollzogen werden.[6] In diesem Zusammenhang ist für die Praxis insbesondere die Zuordnung von Verpackungskosten von Relevanz. Hierbei wird zwischen der sogenannten Außen- und Innenverpackung differenziert.[7] Bei den Außenverpackungen handelt es sich um solche, die das Produkt versandfertig machen und vor äußeren Einwirkungen in Sinne von Beschädigungen schützen, z. B. Umverpackung, Füllmaterial oder Luftpolstereinlagen.[8] Zu Innenverpackungen zählen die notwendigen Warenumschließungen, die das Produkt aufgrund seiner Eigenart überhaupt erst zur Absatz- bzw. Verkaufsreife führen,[9] z. B. Konserven, Zigarettenschachteln, Tuben, Dosen inklusive der jeweiligen Abfüllkosten.[10] Innenverpackungen sind grundsätzlich als Herstellungskosten zu behandeln, wohingegen Außenverpackungen als Vertriebskosten dem generellen Aktivierungsverbot unterliegen. Bei Warenlagern ist des Weiteren zu unterscheiden, ob durch die Lagerung eine Qualitätssteigerung des Produkts vorgenommen wird, diese mithin dem Herstellungsprozess zuzurechnen ist, z. B. bei Nutzholz, Wein oder Whisky.[11]

 

Rz. 42

Hinsichtlich Zöllen und Verbrauchsteuern, z. B. Bier-, Energie-, Kaffee-, Schaumwein-, Branntwein-, Tabaksteuer, ist die Einordung strittig. Werden diese den Vertriebskosten zugerechnet, so folgt daraus ein entsprechendes Aktivierungsverbot. Handelsrechtlich werden diese jedoch auch den Fertigungssonderkosten zugeschlagen, wenn erst mit der Verbrauchsteuer ein absatzfähiges Produkt entsteht.[12] Der BFH sieht dagegen in der Biersteuer weder Vertriebs- noch Herstellungskosten,[13] die Branntweinsteuer erkennt er als Herstellungskosten an.[14] Eine Aktivierung als Herstellungskosten sollte im Zweifel substantiiert begründet werden können. Ansonsten verbleibt lediglich steuerlich die Möglichkeit zur wahlweisen Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens (§ 5 Abs. 5 Satz 2 EStG, R 5.6 Abs. 3 EStR).[15] Die Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer zählt laut Finanzverwaltung explizit nicht zu den Herstellungskosten, sondern zu den Vertriebskosten (R 6.3 Abs. 6 Satz 3 EStR). Soweit Vorsteuerbeträge gemäß § 15 UStG allerdings nicht abgezogen werden dürfen, bilden diese Herstellungskosten (R 9b Abs. 1 EStR, H 6.3 (Vorsteuerbeträge) EStH).

 

Rz. 43

Auch die Ertragsteuern sowie die Gewerbesteuer sind steuerlich nicht den Herstellungskosten zuzuordnen, da diese bereits keine abziehbaren Betriebsausgaben darstellen (R 6.3 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStR) bzw. nicht in Bezug zum Herstellungsprozess stehen. Nicht gewinnabhängige Steuern, z. B. Grund-, Kraftfahrzeugsteuer, sind anteilig als Fertigungsgemeinkosten zu berücksichtigen.[16]

[1] Morck/Drüen, in Koller u. a., HGB Kommentar, 9. Aufl. 2019, § 255 HGB Rz. 11.
[2] Kulosa, in Schmidt, EStG Kommentar, 38. Aufl. 2019, § 6 EStG Rz. 203.
[3] Küting, in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht, 2. Aufl. 2009, S. 176.
[4] Böcking/Gros, in Ebenroth u. a., HGB Kommentar, 3. Aufl. 2014, § 255 HGB Rz. 55; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 10. Aufl. 2019, § 255 HGB Rz. 134 f.; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 7. Aufl. 2014, S. 66.
[5] Schubert/Hutzler, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 443.
[6] Schubert/Hutzler, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 452.
[7] Schindler, in Kirchhof, EStG Kommentar, 18. Aufl. 2019, § 6 EStG Rz. 75.
[8] BFH, Urteil v. 3.3.1978, III R 46/76, BStBl 1978 II S. 413 (Druckerzeugnisverpackung); BFH, Urteil v. 28.8.1987, III R 88/82, BStBl 1987 II S. 789 (Cellophanumhüllung bei Tonbandkassetten); BFH, Urteil v. 2.21990, III R...

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