Der Umfang der Haftung nach § 75 AO ist sachlich und zeitlich begrenzt.

  • Sachliche Schranken sind hierbei:

    Nach § 75 AO wird nur gehaftet für:

    • Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet.[1] Das sind: Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Verbrauchsteuern bei Herstellungsbetrieben, Rückforderung von Investitionszulage, Versicherungssteuer bei Versicherungsunternehmen. Keine betrieblichen Steuern sind hingegen die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Grundsteuer oder Erbschaftsteuer; auch nicht die Kraftfahrzeugsteuer für den betrieblichen Lkw, da diese Steuer nicht an den Betrieb, sondern an das Halten des Lkw anknüpft (str.).
    • Da § 75 AO nur von Steuern spricht, kommt eine Haftung für steuerliche Nebenleistungen i. S. d. § 3 Abs. 4 AO nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere für Verspätungszuschläge, Verzögerungsgelder und Säumniszuschläge, aber auch für Zinsen, obwohl für diese die Vorschriften für Steuern entsprechend gelten.[2]
    • Den Steuern stehen die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen gleich.[3]
    • Steuerabzugsbeträge, z. B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer sowie die im Abzugsverfahren zu erhebende Einkommensteuer.[4]

    Die Haftung beschränkt sich auf den Bestand des übernommenen Vermögens.[5] Die Haftung erfolgt also nicht i. H. d. Werts des übernommenen Vermögens, sondern nur mit den übernommenen Gegenständen. Dazu gehören auch die Surrogate.[6] Der Übernehmer hat die Zwangsvollstreckung zu dulden.

  • Bei den zeitlichen Schranken des § 75 AO sind zwei zeitliche Schranken zu beachten:

    • Erste Grenze für die Haftung ist, dass die Steuern und Abzugsbeträge seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahrs entstanden sind.[7]§ 75 AO setzt ausdrücklich für den Umfang der Haftung nur eine zeitliche Grenze in die Vergangenheit. Nicht ausdrücklich geregelt ist dagegen das Ende des Zeitraums, auf den sich die Haftung für fremde Steuerschulden erstrecken soll.
    • Eine zweite Grenze zeitlicher Art für die Haftung besteht darin, dass die Steuern und Erstattungsansprüche innerhalb 1 Jahrs nach Anmeldung des Betrieb[8] durch den Erwerber gegenüber dem Veräußerer festgesetzt oder von ihm angemeldet worden sind. Die Jahresfrist beginnt dabei frühestens mit dem Zeitpunkt der Übernahme. Ist die Festsetzung gegenüber dem Veräußerer fristgerecht erfolgt, kann die Haftung auch nach Ablauf des 1 Jahrs gegen den Erwerber festgesetzt werden. Hier greift dann allenfalls die Haftungsverjährung nach den Bestimmung des § 191 Abs. 3-5 AO.
[2] § 239 AO,

BFH, Urteil v. 5.10.2004, VII R 76/03; BFH/NV 2005 S. 95; BFH, Urteil v. 5.10.2004, VII R 76/03, BStBl 2006 II S. 3; Schwarz, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 75 AO Tz. 40; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Tz. 38; Boeker, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO; § 75 AO Tz. 78.

[4] Boeker, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 75 AO Tz. 74.
[5] BFH, Beschluss v. 2.11.2007, VII S 24/07, BFH/NV 2008 S. 333; Kratzsch, in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 75 AO Rz. 48f.
[6] S. auch die Rechtsprechung zum früheren § 419 BGB a. F. sowie zu § 74 AO.
[7] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Tz. 34.
[8] siehe Boeker, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 75 AO Tz. 84ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge