Rz. 23

Das Realisationsprinzip ist der Maßstab für den zeitgerechten Ausweis von Erträgen und Aufwendungen und damit grundlegendes Aktivierungs- und Passivierungsprinzip.[1]

Das Realisationsprinzip ist Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung und gilt damit bereits nach den allgemeinen Aufstellungsvorschriften für den handelsrechtlichen Jahresabschluss (§ 243 Abs. 1 HGB). Nach dem HGB sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB).

 

Rz. 24

Für Vermögensgegenstände ist eine Wertobergrenze festgelegt. Für Verbindlichkeiten ergibt sich entsprechend eine Wertuntergrenze. Für Vermögensgegenstände ist in § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB eine Wertobergrenze bestimmt. Sie sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Abschreibungen anzusetzen. Beim Zugang sind die Vermögensgegenstände mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Bei der Folgebewertung sind Abschreibungen vorzunehmen. Bis zu ihrem Ausscheiden sind die Vermögensgegenstände mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Abschreibungen, zu bewerten. Hierdurch wird verhindert, dass sich die Kaufleute Gewinne zurechnen, die noch nicht realisiert sind.[2] Für alle Unternehmen wurde im Gesetz lediglich eine Zeitbewertung des Planvermögens (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB) vorgeschrieben (§ 253 Abs. 1 Satz 4 HGB), was als eine explizite Ausnahme des Grundsatzes zu werten ist. Verbindlichkeiten sind zu ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Das ist der Betrag, den der Schuldner zur Begleichung der Verbindlichkeit aufbringen muss, der notwendig ist, um eine bestehende Verpflichtung zu erfüllen oder abzulösen.[3] Der bei dem Zugang der Verbindlichkeit gebuchte Erfüllungsbetrag darf bei einem späteren Absinken des Erfüllungsbetrags grundsätzlich nicht unterschritten werden. Hierdurch würde ein unrealisierter Ertrag ausgewiesen und damit gegen das Realisationsprinzip verstoßen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Eine Unterschreitung des ursprünglichen Einbuchungsbetrags ist daher grundsätzlich unzulässig.[4] Spezielle Ausnahme hierzu ist jedoch die Notwendigkeit der Bewertung von kurzfristigen Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten zum Stichtagskurs nach § 256a HGB.

 

Rz. 25

Erträge werden erst dann ausgewiesen, wenn der zur Lieferung oder Leistung Verpflichtete die von ihm nach dem Vertrag geschuldete Leistung erbracht hat. Eine Forderung mit Ertragsausweis wird also erst dann bilanziert, wenn der Liefernde oder Leistende das zur Erfüllung des Vertrags Erforderliche getan hat und die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Vertragspartner übergegangen ist. Solange der aus einem Vertrag Verpflichtete noch nicht geliefert oder geleistet hat, stehen sich Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüber und stehen damit in der Schwebe. Das Vertragsverhältnis ist ein schwebendes Geschäft. Aus einem schwebenden Geschäft dürfen nach dem Realisationsprinzip Erträge nicht ausgewiesen werden. Rechtlich hat der zur Lieferung oder Leistung Verpflichtete bereits mit Abschluss des Vertrags einen Anspruch auf Zahlung, z. B. der Verkäufer auf Zahlung des Kaufpreises, der Handwerker auf Leistung des Werklohns. Jedoch kann der Vertragspartner vor der Erfüllung des Vertrags durch den zur Lieferung oder Leistung Verpflichteten dem Zahlungsanspruch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenhalten (§ 320 BGB). Das bedeutet, er kann die Zahlung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Auch bürgerlich-rechtlich kann daher der zur Lieferung oder Leistung Verpflichtete seinen Anspruch auf die Gegenleistung erst durchsetzen, nachdem er geliefert oder geleistet hat. Mit einer Lieferung findet ein "Realisationssprung" statt. Die abgehende Lieferung wird mit den vom Liefernden erbrachten Aufwendungen erfasst und der Ertrag gegengerechnet.[5] Der Erfolg aus diesem Geschäft ist die Differenz zwischen Ertrag und Aufwand. Die Aufwendungen des Lieferers wirken sich also erst bei der Lieferung aus. Das bedingt, dass sie zum Bilanzstichtag aktiviert werden, wenn Anlieferung von Waren und von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie die Herstellung von Erzeugnissen vor dem Bilanzstichtag und die Auslieferung der Waren und Erzeugnisse erst nach diesem Zeitpunkt erfolgen. Die Aufwendungen des Liefernden sind deshalb vor dem Realisationszeitpunkt mit den Beschaffungspreisen anzusetzen. Dieser Grundsatz wird als Anschaffungspreisprinzip bezeichnet. Ergänzend legt das Realisationsprinzip fest, dass das Gut bis zu seinem Ausscheiden oder Verbrauch mit diesen Beschaffungspreisen fortgeführt und erst in der Periode in den Aufwand eingestellt wird, in der es ausscheidet.[6]

 
Praxis-Beispiel

Maschinenbauunternehmen M erhält vom Fertigungsunternehmen U am 15.10.00 den Auftrag, eine bestimmte Maschine zu liefern. M liefert am 3.2.01 und stellt U 200.000 EUR zuzüglich USt in Rechnung. Die Herstellungskosten betrugen 170.000 EUR. Bis zum 31.12...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge