Rz. 19

Jahresabschlüsse sind für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs, also 24 Uhr des letzten Tags des Geschäftsjahrs, aufzustellen (§ 242 HGB). Die Verhältnisse dieses Zeitpunkts sind für die Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden maßgebend (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB).

Tatsächliche Verhältnisse vor und nach dem Stichtag sind nicht zu berücksichtigen. Erlangt der Kaufmann nach dem Stichtag bis zum Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses Kenntnisse, so sind sie bei der Bewertung zu berücksichtigen, wenn sie über die Verhältnisse am Bilanzstichtag Aufschluss geben (sog. wertaufhellende Tatsachen).[1] Wertbegründende Tatsachen sind dagegen in dem Geschäftsjahr zu erfassen, in dem sie angefallen sind. Allerdings ist die Trennung von wertbegründend und wertaufhellend sehr herausfordernd und beschäftigt immer wieder auch die Gerichte. So wurden Mängelrügen eines Kunden nach dem Bilanzstichtag, die vom BFH 2000 noch als wertaufhellend eingestuft wurden,[2] 2018 als wertbegründend betrachtet,[3] wobei letzteres Urteil sich nicht verallgemeinern lässt, da ansonsten keine pauschalen Gewährleistungsrückstellungen mehr gebildet werden dürften. Zum Bilanzstichtag muss aufgrund objektiver Kriterien stets ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sein, um eine Rückstellung zu bilden. Konkret wurden Nacherfüllungsarbeiten an Werklieferungen, die im Mai und Juni des Folgejahres durchgeführt werden mussten, nicht als Rückstellungsgrund zum Stichtag akzeptiert, da zu diesem Zeitpunkt, obwohl das Werk schon ausgeliefert war, keine Mängelrüge oder zumindest ein objektiver Anknüpfungspunkt, dass eine solche erfolgen würde, vorlag.[4]

 
Praxis-Beispiel

Der Geschäftswagen der A-GmbH hört sich kurz vor dem Jahreswechsel merkwürdig an und soll am 5.1.02 zur Überprüfung in die Werkstatt.

  1. Am 5.1. wird in der Werkstatt ein Motorschaden festgestellt, der den Wert des Wagens deutlich mindert --> wertaufhellende Tatsache. Der Wagen war am Stichtag bereits weniger wert, da ein Motorschaden vorlag, dessen Ausmaß erst am 5.1. festgestellt wurde. Erfassung der Aufwendungen in 01.
  2. Am 5.1. ist der Wagen auf dem Weg in die Werkstatt in einen Unfall verwickelt und muss als Totalschaden abgeschrieben werden --> wertbegründende Tatsache, Erfassung der Abschreibung im Jahr 02.
[1] Vgl. Noodt, in Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 10. Aufl. 2019, § 242 HGB Rz. 8.
[4] Vgl. Kreipl/Müller, in Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 11. Aufl. 2020, § 252 HGB Rz. 93.

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