Rz. 31

Informationen sind entscheidungsnützlich, wenn sie zusätzlich zum Grundsatz der Relevanz auch die Anforderungen an eine glaubwürdige Darstellung (faithful representation) erfüllen (RK.2.12). Der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung fordert eine den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Abbildung im IFRS-Abschluss. Die Abbildung im Abschluss ist mit Bewertungsunsicherheiten und somit mit Schätzungen, z. B. die Schätzung der Nutzungsdauer oder die Schätzung der Rückstellungshöhe, verbunden. Die Bewertungsunsicherheiten und die damit verbundenen Schätzungen führen allerdings nicht generell negativ auf die Entscheidungsnützlichkeit von Informationen aus. Da die Abbildungim Fall von Bewertungsunsicherheiten nicht objektiv gelingen kann, sind ergänzend die Vollständigkeit, Neutralität und Fehlerfreiheit als Gütekriterien definiert (RK.2.12). Die Vollständigkeit (complete) fordert die Präsentation sämtlicher Informationen, die zum Verständnis des abgebildeten Sachverhalts notwendig sind (RK.2.14). Entsprechend der Neutralität (neutral) sollen die im Abschluss gebotenen Informationen frei von Verzerrungen sein, d. h. wertfrei und objektiv (RK.2.15). Dies schließt alle abschlusspolitischen Maßnahmen des Managements aus, das nur der Generierung möglichst entscheidungsnützlicher Information der Kapitalgeber gegenüber verpflichtet ist. Die Neutraliät wird laut RK. 2.16 von einem vorsichtigen Vorgehen beim Treffen von Entscheidungen in unsicheren Situationen unterstützt. Durch die vorsichtige Vorhergehensweise soll die Über- oder Unterbewertung von Vermögenswerten bzw. Erträgen und die Unter- oder Überbewertung von Schulden bzw. Aufwendungen verhindert werden. Somit verweist das Rahmenkonzept 2018 auf das Vorsichtsprinzip, welches durch das Rahmenkonzept 2010 gestrichen wurde. Der IASB bezeichnet diese Form des Vorsichtsprinzips als "cautious prudence", da durch dieses Verzerrungen vermieden werden können. Die Fehlerfreiheit (free from error) meint, dass die gebotenen Informationen korrekt hergeleitet werden müssen, d. h., Schätzungen sind klar zu umschreiben, ggf. mit Angabe einer Wahrscheinlichkeitsverteilung (RK.2.18).[1]

 

Rz. 32

Implizites Merkmal der glaubwürdigen Darstellung ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form), auf welche im Rahmenkonzept explizit verwiesen wird (RK.2.12). Entsprechend der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sind Geschäftsvorfälle und sonstige Ereignisse nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt und nicht nach ihrer rechtlichen Gestaltung abzubilden.[2]

 

Rz. 33

Nach RK.2.20, 2.22 werden entscheidungsnützliche Informationen durch die 2 qualitativen Merkmale der Relevanz und der glaubwürdigen Darstellung definiert. Die im Abschluss präsentierten Informationen müssen somit sowohl die Anforderungen der Relevanz als auch die der glaubwürdigen Darstellung erfüllen. Allerdings sind beide Grundsätze nicht widerspruchsfrei bzw. sogar häufig konträr, sodass auf ein ausgewogenes Verhältnis von Relevanz und glaubwürdiger Darstellung zu achten ist (RK.2.20).[3] Dies kann exemplarisch am Einsatz des fair value verdeutlicht werden. Dieser kann – eine zutreffende Abbildung vorausgesetzt – zweifelsohne als für die Adressaten relevant angesehen werden, jedoch ist der Wert mit einer häufig wenig glaubwürdigen Ermittlung mit vielen Prämissen verbunden. Letzteres setzt die Entscheidungsrelevanz wieder deutlich herab.[4] In der praktischen Anwendung wird die Relevanz vor der glaubwürdigen Darstellung zu prüfen sein (RK.2.21).

[1] Vgl. Kirsch, PiR 6 2018, S. 165 f.
[2] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 16. Aufl. 2021, S. 146.
[3] Vgl. Fischer, PiR 5 2018, S. 155. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 16. Aufl. 2021, S. 147 f.
[4] Vgl. zur Abgrenzung von Entscheidungs- und Wertrelevanz: Kreipl, Die Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes auf die Entscheidungs- und Wertrelevanz der handelsrechtlichen Rechnungslegung, 2010, S. 38 ff.

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