Rz. 9

Im Gegensatz zur Generalnorm gem. § 264 Abs. 2 HGB bzw. § 297 Abs. 2 HGB, wonach "unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu erfolgen hat,[1] und das Einhalten der Einzelnormen grundsätzlich der Erfüllung der Generalnorm vorgeht,[2] ist nach den IFRS die Generalnorm vorrangig. Im IAS 1.15 ist der True-and-Fair-View-Grundsatz, nach welchem Abschlüsse die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Cashflows eines Unternehmens den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darzustellen haben, ausdrücklich verankert worden. Dieser fungiert gem. IAS 1.19 auch als vorrangig, da ein Abweichen von Einzelregelungen in dem Fall notwendig ist, wenn die im Rahmenkonzept explizierten Zwecke des Abschlusses sonst nicht erreicht werden könnten. Dies löst aber weitreichende Informationspflichten aus. So ist gem. IAS 1.20 in diesen seltenen Fällen anzugeben,

  • dass das Management zu dem Schluss gekommen ist, dass der Abschluss die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Cashflows des Unternehmens den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darstellt;
  • dass es den anzuwendenden Standards und Interpretationen nachgekommen ist, mit der Ausnahme, dass von einem spezifischen Erfordernis abgewichen wurde, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild zu vermitteln;
  • die Bezeichnung des Standards bzw. der Interpretation, von dem/von der das Unternehmen abgewichen ist, die Art der Abweichung einschließlich der Bilanzierungsweise, die der Standard oder die Interpretation fordern würde, den Grund, warum diese Bilanzierungsweise unter den gegebenen Umständen so irreführend wäre, dass sie zu einem Konflikt mit den Zielen des Abschlusses gem. dem Rahmenkonzept führen würde, und die Bilanzierungsweise, die angewandt wurde; sowie
  • für jede dargestellte Periode die finanzielle Auswirkung der Abweichung auf jeden Abschlussposten, der bei Einhaltung des Erfordernisses berichtet worden wäre.
 

Rz. 10

Sollte ein Abweichen aufgrund gesetzlicher Regelungen nicht möglich sein, verlangt IAS 1.23, dass der für irreführend behaltene Aspekt bestmöglich verringert wird und Folgendes anzugeben ist:

  • die Bezeichnung des betreffenden IFRS, die Art der Anforderung und den Grund, warum die Einhaltung der Anforderung unter den gegebenen Umständen so irreführend ist, dass sie nach Ansicht des Managements zu einem Konflikt mit der Zielsetzung des Abschlusses i. S. d. Rahmenkonzepts führt; sowie
  • für jede dargestellte Periode die Anpassungen, die bei jedem Posten im Abschluss nach Ansicht des Managements zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes erforderlich wären.
 

Rz. 11

Nach IAS 1.24 besteht zwischen einer einzelnen Information und der Zielsetzung der Abschlüsse dann ein Konflikt, wenn die einzelne Information die Geschäftsvorfälle, sonstigen Ereignisse und Bedingungen nicht so glaubwürdig darstellt, wie sie es entweder vorgibt oder wie es vernünftigerweise erwartet werden kann, und die einzelne Information folglich wahrscheinlich die wirtschaftlichen Entscheidungen der Abschlussadressaten beeinflusst. Dabei hat die Unternehmensführung zu prüfen, warum die Zielsetzung des Abschlusses unter den gegebenen Umständen nicht erreicht wird und wie sich die besonderen Umstände des Unternehmens von denen anderer Unternehmen, die die Anforderung einhalten, unterscheiden. Wenn andere Unternehmen unter ähnlichen Umständen die Anforderung einhalten, gilt die widerlegbare Vermutung, dass die Einhaltung der Anforderung durch das Unternehmen nicht so irreführend wäre, dass sie zu einem Konflikt mit der Zielsetzung des Abschlusses i. S. d. Rahmenkonzepts führen würde.

[2] Vgl. Baetge/Roß, Fair Presentation, in Ballwieser, US-amerikanische Rechnungslegung, 4. Aufl. 2000, S. 29 ff., hier S. 32-33.

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