Nach § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG gilt, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, 2b und 3 GrEStG nicht in Betracht kommt, als Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG auch ein solcher, auf Grund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat. Bei § 1 Abs. 3a GrEStG handelt es sich um eine weitere Missbrauchsvermeidungsvorschrift. § 1 Abs. 3a GrEStG ist gegenüber § 1 Abs. 3 GrEStG ein eigenständiger Steuertatbestand, da die von beiden Vorschriften erfassten Besteuerungssachverhalte nicht deckungsgleich sind.[1]

Im Verhältnis zu §§ 5, 6 GrEStG gelten hier die Grundsätze zur Anwendung in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. 5.8.2) entsprechend.

 
Praxis-Beispiel

Wirtschaftliche Beteiligung aufgrund Anteilsübertragung

A überträgt im Jahr 01 ein Grundstück auf eine OHG, an deren Vermögen er und B mit je 48 % und C mit 4 % beteiligt sind. Im Jahr 02 überträgt A 10 % der Anteile an der OHG auf B. Im Jahr 03 überträgt A die restlichen Anteile auf B.

Schaubild

Quelle: BStBl 2015 I S. 1029 Rz. 7.8.3

Jahr 01:

Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksübertragung wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG mit 48 % nicht erhoben.

Jahr 02:

Die Anteilsübertragung durch A stellt bei diesem eine Anteilsminderung innerhalb des 10-Jahreszeitraums dar. Die Steuervergünstigung ist daher nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG mit 10 % rückwirkend zu versagen. Die Überwachung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist bezüglich der verbliebenen Anteile des A an der OHG (38 %) fortzuführen.

Jahr 03:

  • Wegen der Altgesellschafterstellung des B ist § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht. Zudem sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 GrEStG aufgrund der gesamthänderischen Mitberechtigung des C nicht verwirklicht.[2]
  • Aufgrund der Anteilsübertragung hat B erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 GrStG von 96 %. Der Vorgang ist in Höhe seiner seit mindestens 10 Jahren bestehenden Beteiligung mit 48 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG begünstigt.
  • Für die im Jahr 02 hinzuerworbenen Anteile i. H. v. 10 % greift ebenfalls die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG. Die Vergünstigung ist nicht nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GrEStG ausgeschlossen, da die Übertragung dieser Anteile nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu einer Versagung der Vergünstigung (bei A im Jahr 02) geführt hat.
  • Dem B steht auch für die im Jahr 03 hinzuerworbenen Anteile von 38 % die Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GrEStG steht dem ebenfalls nicht entgegen, da die Übertragung dieser Anteile zu einer Versagung der Vergünstigung (bei A im Jahr 03) führt (vgl. auch unter 5.6 e.E.).
  • Bei A ist die Steuervergünstigung i. H. v. (weiteren) 38 % zu versagen, da er diesen Anteil an der OHG innerhalb der 10-Jahresfrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG übertragen hat.
[1] Vgl. Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 1 GrEStG Erwerbsvorgänge, 118. Ergänzungslieferung, April 2022, Rz. 414.2 und 414.4.
[2] Vgl. BFH, Urteil v. 26.7.1995, II R 68/92, BStBl 1995 II S. 736.

Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Auflage 2020, Spezielle Verkehr- und Verbrauchsteuern, Rz. 18.37.

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