Leitsatz

1. Erwirbt der Bedachte durch Vermächtnis das Recht, von dem Beschwerten den Abschluss eines Kaufvertrags über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu fordern, unterliegt der Kaufvertrag der Grunderwerbsteuer.

2. Eine Steuerbefreiung nach den Bestimmungen für Erwerbe von Todes wegen scheidet aus. Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs ist der Kaufvertrag und nicht das Vermächtnis.

3. Ob ein Vermächtnis einen Anspruch auf Übereignung oder ein Recht auf Abschluss eines Kaufvertrags gewährt, ist durch Auslegung des Vermächtnisses zu ermitteln.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 3 Nr. 2 GrEStG, § 133, § 157 BGB, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

 

Sachverhalt

Schwester S war als Alleinerbin Eigentümerin einer Eigentumswohnung geworden. Der Erblasser – Vater V – hatte hierzu letztwillig bestimmt:

"Ich vermache meinem Sohn [Kläger und Revisionskläger – Kläger –] ein Ankaufsrecht an meiner Eigentumswohnung … Der Ankaufspreis entspricht dem Verkehrswert der Eigentumswohnung zum Zeitpunkt der Ausübung des Ankaufsrechts."

Der Kläger erwarb die Eigentumswohnung gegen Zahlung eines verkehrswertadäquaten Kaufpreises.

Das FA setzte hierfür Grunderwerbsteuer fest; Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Die Vorinstanz (FG Köln, Urteil vom 28.10.2015, 5 K 585/14, Haufe-Index 9305854, EFG 2016, 831) erkannte im Erwerb der Eigentumswohnung einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand, konnte diesen aber unter keine Befreiungsvorschrift subsumieren. Insbesondere ein Erwerb von Todes wegen nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG schied – so das FG – aus. Es fehle an der Doppelbesteuerung desselben Lebenssachverhalts mit Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer.

Die Revision des Klägers richtet sich gegen die Nichtgewährung einer Steuerbefreiung.

 

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat den Besteuerungstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Es greift zu seinen Gunsten aber keine Privilegierung nach § 3 GrEStG ein.

Im Streitfall ist der Kaufpreis für das Grundstück noch nicht beziffert. Vielmehr erweist es sich als notwendig, zunächst den Verkehrswert des Grundstücks festzustellen und dann einen Kaufvertrag abzuschließen. Diese verschiedenen notwendigen Schritte zum Erwerb des Grundstücks sprechen dafür, dass kein unmittelbarer Anspruch auf das Grundstück bestehen, sondern dass Gegenstand des Vermächtnisses das Recht auf Abschluss eines Kaufvertrags sein sollte.

Damit unterliegt der Grundstückserwerb nicht der Privilegierung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, da Rechtsgrund für den Übereignungsanspruch nicht das Vermächtnis war. Damit entfällt ein Erwerb von Todes wegen.

Auch eine Steuerbefreiung wegen Teilung des Nachlasses nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG scheidet aus. Der Kläger ist kein Miterbe.

Schließlich entfällt auch eine Privilegierung nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG für den Erwerb zwischen Angehörigen in gerader Linie. Bei Geschwistern handelt es sich um die Seitenlinie.

 

Hinweis

Hinter dem scheinbar leicht überschaubaren Sachverhalt des Besprechungsfalls verbergen sich dogmatische Probleme des Grunderwerbsteuerrechts. Es geht um die Übertragung einer Immobilie im Wege eines Vermächtnisses letztlich gegen Zahlung eines Kaufpreises (Kaufrecht). Je nach Ausgestaltung dieser Übertragung kommt es zu einer Besteuerung mit Grunderwerbsteuer. Der Fall ist daher auch für die Besteuerungspraxis von Bedeutung.

1. "Auflassungsmodell"

Der Bedachte kann zum einen durch Vermächtnis das Recht erhalten, unmittelbar die Übertragung eines bestimmten Grundstücks (gegen Zahlung eines Kaufpreises) aus dem Nachlass zu fordern. Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs ist dann das Vermächtnis selbst (die Zahlungspflicht hat ihren Rechtsgrund in der Verpflichtungserklärung, den Kaufpreis zu zahlen).

Die zur Eigentumsübertragung im Rahmen des Vermächtnisses erforderliche Auflassung ist ein der Grunderwerbsteuer unterliegendes Rechtsgeschäft nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.

Da in einem solchen Fall Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs das Vermächtnis selbst ist, ist der steuerbare Vorgang nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG als Erwerb von Todes wegen von der Besteuerung ausgenommen.

2. Kaufrechtsvermächtnis

Wenn dem Bedachten dagegen ein Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrags über ein Grundstück im Nachlass eingeräumt wird, ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt der Kaufvertrag. Gegenstand des Vermächtnisses ist der schuldrechtliche Anspruch, den Abschluss dieses Kaufvertrags zu fordern. Erst durch den Abschluss kann die Übereignung des Grundstücks beansprucht werden.

Der Kaufvertrag ist dann ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Er stellt keinen Erwerb von Todes wegen, sondern einen Erwerb unter Lebenden dar. Damit kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStGnicht in Betracht.

3. Differenzierung durch Auslegung

Durch Auslegung der entsprechenden Verfügung ist zu ermitteln, ob es sich um einen Auflassungsanspruch handelt oder ein vermachtes Kaufrecht an einem Grundstück ein Recht auf Abschluss eines Kaufvertrags gewähren soll. Für das Kaufrechtsvermächt...

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