Leitsatz

Grundbesitz der öffentlichen Hand ist nicht nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GrStG von der GrSt befreit, wenn er zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben einem privaten Unternehmer überlassen wird.

 

Normenkette

§ 3 GrStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin verpflichtete sich gegenüber der Stadt X in einem "Vertrag über die Durchführung von Aufgaben der Abwasserbeseitigung" im "Entwässerungsgebiet alle anfallenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung wahrzunehmen". X räumte ihr hierfür zum 01.01.1999 für 30 Jahre das Erbbaurecht an einem ihr gehörenden Grundstück ein, auf dem sich Gebäude und Anlagen zur Abwasserbeseitigung befanden. An der Klägerin, einer GmbH, war neben einer weiteren GmbH X zu 25,1 % beteiligt.

Das FA stellte gegen die Klägerin im Weg der Nachfeststellung auf den 01.01.1999 den Einheitswert für das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück i.H.v. 125 164 EUR fest. Zugleich setzte es einen gemeinsamen GrSt-Messbetrag für das belastete Grundstück und das Erbbaurecht im Weg der Nachveranlagung auf den 01.01.1999 von 2 920,68 EUR fest.

Einspruch und Klage gegen die beiden Bescheide, mit denen die Klägerin die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GrStG beanspruchte, blieben erfolglos (FG Bremen, Urteil vom 16.04.2008, 3 K 33/07 (5), Haufe-Index 2006142, EFG 2008, 1657).

 

Entscheidung

Diese Auffassung bestätigte nun im Ergebnis der BFH und wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Ist ein Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, so bilden einerseits das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück und andererseits das Erbbaurecht bewertungsrechtlich zwei selbstständige Grundstücke, die nach § 2 Nr. 2 GrStG i.V.m. § 68 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 sowie § 70 Abs. 1 BewG je für sich der GrSt unterliegen. Beträgt die Dauer des Erbbaurechts weniger als 50 Jahre, ist zur Feststellung der jeweiligen Einheitswerte der Gesamtwert des belasteten Grundstücks einschließlich der Gebäude und Außenanlagen entsprechend der restlichen Dauer des Erbbaurechts aufzuteilen, § 92 Abs. 3 BewG, und der Berechnung des Steuermessbetrags die Summe der beiden Einheitswerte zugrunde zu legen, § 13 Abs. 3 GrStG. Schuldner der GrSt sowohl für das belastete Grundstück als auch für das Erbbaurecht ist nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 GrStG der Erbbauberechtigte, was aber nichts daran ändert, dass bei der Anwendung des GrStG von zwei wirtschaftlichen Einheiten auszugehen ist. Letzteres gilt – was jetzt der BFH ausdrücklich klarstellt – auch mit Blick auf die GrSt-Befreiungen.

2. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GrStG ist Grundbesitz von der GrSt befreit, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch in dem durch § 3 Abs. 2 und 3 GrStG umschriebenen Sinn benutzt wird. Der Grundbesitz muss dabei nach § 3 Abs. 1 S. 2 GrStGausschließlich demjenigen, der ihn für den begünstigten Zweck benutzt, oder einem anderen nach den Nrn. 1 bis 6 begünstigten Rechtsträger zuzurechnen sein. Für alle Befreiungstatbestände der §§ 3 und 4 GrStG verlangt § 7 S. 1 GrStG zudem eine unmittelbare Nutzung für den steuerbegünstigten Zweck. Mit anderen Worten befreit das GrStG weder allgemein Grundbesitz der juristischen Personen des öffentlichen Rechts noch allgemein die hoheitliche Nutzung von Grundbesitz, sondern knüpft es – wie das der BFH immer wieder entschieden hat – an das formale Kriterium der Rechtsträgeridentität von Eigentümer des Grundstücks und (unmittelbar) Nutzendem an.

3. Im Streitfall fehlte es an der erforderlichen Rechtsträgeridentität. Eigentümerin des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks war X (und lässt die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nach § 10 Abs. 2 GrStG die Zurechnung des Grundstücks unberührt), während es unmittelbar von der Klägerin und damit von einem "anderen Rechtsträger" zur Abwasserbeseitigung genutzt wurde.

a) Unter der unmittelbaren Nutzung versteht der BFH die tatsächliche Zuführung des Steuergegenstands an den Benutzungszweck. Die bloße Überlassung eines Grundstücks durch Einräumung eines Erbbaurechts stellt danach keine unmittelbare hoheitliche Tätigkeit dar, denn sie ermöglicht nur die tatsächliche Nutzung durch den Erbbauberechtigten unter Ausschluss des Eigentümers, während im Streitfall die Klägerin als Erbbauberechtigte das Grundstück tatsächlich für die Abwasserbeseitigung genutzt hat.

b) Eine unmittelbare hoheitliche Nutzung durch X liegt auch nicht etwa deshalb vor, weil ihr die Tätigkeit der Klägerin als Verwaltungshelferin zuzurechnen wäre. Zwar können sich die zur Abwasserbeseitigung Verpflichteten nach Maßgabe des Wasserrechts zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen, dies bewirkt jedoch nicht, dass ihre Tätigkeit zur unmittelbaren eigenen Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts wird. Dazu müsste nach den Worten des BFH die Klägerin "Teil der Verwaltungsorganisation" geworden sein, während sie im Streitfall aber eigenverantwortlich über den Ablauf der Abwasserbeseitigung entschied, das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigke...

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