Leitsatz

1. Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat.

2. Der Anscheinsbeweis streitet dafür, dass der Arbeitnehmer einen ihm vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen auch tatsächlich privat nutzt, nicht aber dafür, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 42d Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

K betrieb eine Apotheke mit Arzneimittelherstellung. Er beschäftigte etwa 80 Mitarbeiter, darunter auch seinen Sohn S, der das höchste Gehalt aller Mitarbeiter erhielt. Im Betriebsvermögen befanden sich bis zu sechs Kfz, die für betriebliche Fahrten zur Verfügung standen. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Nach einer LSt-Außenprüfung ging das FA davon aus, dass das teuerste der sechs betrieblilchen Kfz, ein Audi A 8 Diesel, von S auch privat genutzt wurde, setzte dies als steuerpflichtigen Sachbezug mit der 1 %-Regelung an und nahm K dafür in LSt-Haftung. K machte dagegen geltend, dass S die Kfz nicht privat, sondern nur betrieblich genutzt habe, es arbeitsvertraglich verboten sei, die betrieblichen Kfz privat zu nutzen und S privat über einen Audi S 8 verfüge.

Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.04.2007, 11 K 379/06) wies die Klage ab. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens. Denn unstreitig habe S das Fahrzeug dienstlich genutzt. Eine Privatnutzung könne daher nicht ausgeschlossen werden.

 

Entscheidung

Der BFH hob, wie unter den Praxis-Hinweisen dargestellt, die Vorentscheidung auf, und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Hinweis

Die Grundfrage des Streitfalls lautete: Kann aus der Bereitstellung eines Fahrzeugs zu betrieblichen Zwecken mittels Anscheinsbeweis darauf geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer das Fahrzeug auch privat nutzt? Das FG ging zwar davon aus, der BFH konnte sich dem aber nicht anschließen. Der BFH sah sich durch den Streitfall insbesondere zu Ausführungen dazu veranlasst, dass die 1 %-Regelung keine steuerbegründende Norm, sondern lediglich Bewertungsvorschrift ist.

1. Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, begründet dies einen als Lohnzufluss zu erfassenden Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers, der mit der 1 %-Regelung zu erfassen ist, wenn kein Fahrtenbuch geführt wurde (§ 8 Abs. 2 S. 2–5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG). Dieser in ständiger Rechtsprechung immer wieder betonte Grundsatz gilt zwar fort, bedurfte aber anlässlich des Besprechungsfalls der Präzisierung.

Beachten Sie: Die 1 %-Regelung ist nur anwendbar, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hatte. D. h. die 1 %-Regelung gilt nicht, wenn etwa der Arbeitnehmer unbefugt ein Fahrzeug aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers für private Zwecke nutzt. Der BFH begründete dies damit, dass § 8 Abs. 2 S. 2 EStG ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG einen eigenständigen Steuertatbestand normiert, sondern lediglich einen Vorteil bewertet, der dem Grunde nach feststehen muss. Und ein Vorteil, den der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers erlangt, wird nicht "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt, das ist kein Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG. Der BFH zieht dafür die eigentliche Rechtsgrundlage der 1 %-Regelung heran: § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG betrifft den Betriebsinhaber, der sein eigenes, dem Betriebsvermögen zugeordnetes Kfz privat nutzt. In ebenso befugter Weise muss auch der Arbeitnehmer über ein fremdes (!) Fahrzeug verfügen können, um die 1 %-Regelung entsprechend (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG) anwenden zu können.

2. Kann die 1 %-Regelung mittels Anscheinsbeweis greifen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlässt und der Arbeitnehmer betriebliche Arbeitgeberfahrzeuge nur für betriebliche Zwecke nutzen darf? Der BFH verneint dies mit der Rechtsnatur des Anscheinsbeweises. Ein Anscheinsbeweis bringt lediglich einen allgemeinen Erfahrungssatz zum Ausdruck. Und es besteht zwar ein Erfahrungssatz dafür, dass ein vom Arbeitgeber zur Privatnutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird, aber nicht dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem Arbeitgeberfuhrpark für betriebliche Zwecke zur Verfügung steht, auch nicht dafür, dass er einen solchen unbefugt auch privat nutzt.

3. Damit war mit den bisher vom FG getroffenen Feststellungen kein geldwerter Vorteil zu begründen. Der BFH gab dem FG weitere Sachverhaltsaufklärung auf, nämlich ob und welches Fahrzeug S arbeitsvertraglich oder mindestens mit konkludent getroffener Nutzungsvereinbarung auch zur privaten Nutzung überlassen war. Er verwies weiter auf seine Rechtsprechung, wonach mögliche einz...

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