Rz. 71

Die Übertragung von Wirtschaftsgütern und Mitunternehmeranteilen durch Mitunternehmer war in 2012 Gegenstand der BFH-Rechtsprechung:[1]

  1. Der IV. Senat des BFH hat mit Urteil v. 19.9.2012 entschieden, dass die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen derselben Personengesellschaft nicht zur Realisierung eines Gewinns führe, wenn das Entgelt den Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts nicht übersteige. Dem folgend hat der BFH im Urteil v. 21.6.2012 zur teilentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der Schwesterpersonengesellschaft entschieden, dass es hinsichtlich des entgeltlich übertragenen Teils zu keinem Gewinn komme, weil ein Entgelt (eine Forderung) genau in Höhe des Buchwertes des Grundstücks eingeräumt worden sei; insoweit die Übertragung unentgeltlich durchgeführt worden sei, habe sie zu einem Entnahmegewinn geführt.
  2. Ferner hat der IV. Senat des BFH mit Urteil v. 2.8.2012 entschieden, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Gesellschaftsanteil steuerneutral übertragen könne, auch wenn er ein in seinem Sonderbetriebsvermögen befindliches Grundstück zeitgleich und ebenfalls steuerneutral auf eine zweite (neugegründete) Personengesellschaft übertrage; nach Auffassung des BFH liegen gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen des S 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG vor.

Die Finanzverwaltung belegt diese Urteile des IV. Senats mit einem Nichtanwendungserlass.[2]

Mit dem Nichtanwendungserlass bestätigt das BMF seine Auffassung, dass bei einer teilentgeltlichen Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften eine (sog. strenge Trennungstheorie) Aufspaltung in ein unentgeltliches und ein vollentgeltliches Geschäft geboten ist. Dabei stellt die Übernahme von Verbindlichkeiten eine Form des Entgelts dar. Der Umfang der Entgeltlichkeit bestimmt sich nach dem Verhältnis des Kaufpreises zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsgutes.[3]

Dieser Verwaltungsauffassung widerspricht die oben angeführte BFH-Rechtsprechung.[4] Zwar ist auch nach der Rechtsprechung des IV. Senats die Übernahme einer Verbindlichkeit – außerhalb des Anwendungsbereichs der Einheitstheorie – als Entgelt anzusehen und der teilentgeltliche Vorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten. Der Buchwert ist aber nach Auffassung des IV. Senats nicht anteilig beiden Teilvorgängen, sondern in voller Höhe dem entgeltlichen Teil zuzuordnen ("Trennungstheorie mit vorrangiger Zuordnung des Buchwert entgeltlichen Teil" oder "modifizierte Trennungstheorie").

Später hat sich der X. Senat des BFH in den Streit eingeschaltet[5] und hat mit dem Beschluss vom 27.10.2015[6] dem Großen Senat die Frage vorgelegt, wie im Fall der teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus einem Betriebsvermögen eines Mitunternehmens in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft[7] die Höhe eines eventuellen Gewinns aus dem Übergangsvorgang zu ermitteln ist. Der vorlegende X. Senat hält an seiner im Beschluss über die Beitrittsaufforderung geäußerten Auffassung fest, wonach die dogmatischen Argumente, die für die strenge Trennungstheorie sprechen (Auffassung der Finanzverwaltung) etwas höher zu gewichten sind als die denkbaren in der Praxis möglicherweise verträglicheren Gegenauffassungen des IV. BFH-Senats. Da das Finanzamt – ohne die Entscheidung des Großen Senats abzuwarten – dem Begehren der Kläger im Verfahren X R 28/12 abgeholfen hat, hob der X. Senat seinen Vorlagebeschluss an den Großen Senat auf[8] (nach der Erledigung des der Vorlage zugrunde liegenden Rechtsstreits bestand kein Bedarf mehr für eine Entscheidung des Großen Senats des BFH über die vorlegte Rechtsfrage). Der Große Senat des BFH hat daraufhin mit Beschluss vom 30.10.2018 das bei ihm geführte Verfahren GrS 1/16 eingestellt.

Im Streitfall X R 28/12 hatte die Finanzverwaltung dem Klagebegehren entsprochen, also die Einheitstheorie angewendet; es kam zu keiner Aufdeckung der stillen Reserven, denn des Teilentgelt lag unter dem Buchwert. Es ist anzunehmen, dass dieses Ergebnis mit dem BMF, das dem Verfahren beigetreten war, abgestimmt wurde.

Mit Schreiben vom 20.11.2019[9] folgt das BMF der Rechtsprechung des BFH-Urteils[10] – zur unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmer(teil)anteilen mit Sonderbetriebsvermögen; wesentliche Aussagen des BMF-Schreibens sind:[11]

"Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 EStG erfolgt die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils zum Buchwert. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 EStG gilt dies auch bei der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen sowie der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils."

"Dabei kommt es gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG auch dann zur Buchwertfortführung, wenn Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten wird. Allerdings muss das zurückb...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge