Rz. 45

Bilanzierung dem Grunde und der Höhe nach

Unterschiede zwischen § 4 Abs. 1 EStG und § 5 Abs. 1 EStG bei der Bilanzierung dem Grunde nach sind unter teleologischen Gesichtspunkten grundsätzlich nicht tolerierbar, weil dadurch das Abschreibungs- und Wertsteigerungspotenzial als Ganzes berührt werden würde. Abweichende Ansatzgebote, ‐verbote und -wahlrechte sind hinsichtlich des Gebots der vollständigen Erfassung des Gewinns bedenklich und verstoßen gleichermaßen gegen die Grundsätze der Totalgewinnidentität und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Deshalb erscheint es geboten, die Zuordnung von Betriebsvermögen sowie Betriebseinnahmen und -ausgaben an einheitliche Maßstäbe zu binden.

 

Rz. 46

Folgerichtig wird davon ausgegangen, dass die Ansatzgebote und -verbote des § 5 Abs. 25 EStG (betreffend entgeltlich erworbener immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen) bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG sinngemäß anzuwenden sind.

 

Rz. 47

Des Weiteren sind die handelsrechtlichen Ansatzgebote, -verbote und -wahlrechte, die bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG zwingende Bilanzierungsgebote bzw. -verbote begründen, bei der Bilanzierung nach § 4 Abs. 1 EStG entsprechend anzuwenden, soweit sie sich auf die Bilanzierung dem Grunde nach beziehen. Die daraus folgenden Ansatzgebote bzw. -verbote für Aktiv- und Passivposten der Bilanz gelten demnach sowohl bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG als auch § 4 Abs. 1 EStG.

 

Rz. 48

Die Bewertungsvorschriften der §§ 6, 6a Abs. 3 und 4, 6b, 6d EStG und die Vorschriften über AfA bzw. AfS nach §§ 7, 7a und 7g EStG gelten grundsätzlich auch für die Bewertung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens eines nach § 4 Abs. 1 EStG gewinnermittelnden Steuerpflichtigen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 4 Abs. 1 Satz 10 EStG.

 

Rz. 49

Gleichwohl gibt es bei der Bilanzierung der Höhe nach Unterschiede zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und § 5 Abs. 1 EStG, die sich teilweise unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und teilweise ein Reflex des Maßgeblichkeitsprinzips sind.

 

Rz. 50

Unterschiede zwischen § 4 Abs. 1 EStG und § 5 Abs. 1 EStG bei Bewertungsgeboten, -verboten und ‐wahlrechten vertragen sich allerdings mit dem Zweck und den Grundsätzen der Gewinnermittlung nur unter engen Voraussetzungen. Geht man in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH davon aus, dass der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dann als gewahrt anzusehen ist, wenn die Unterschiede der Gewinnermittlung die Identität des Totalgewinns unberührt lassen, so lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe insoweit tolerierbar sind, als sie lediglich zu Unterschieden in der zeitlichen Verlagerung der Gewinnentstehung führen. Soweit die Unterschiede hingegen zu einer absoluten Abweichung der Gewinnentstehung führen, erscheint eine korrespondierende Anwendung der Bewertungsmaßstäbe geboten.

 

Rz. 51

Ermittlung des Unterschiedsbetrags des Betriebsvermögens

Da der eigenständige steuerliche Gewinnbegriff des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG auch für den Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG maßgebend ist,[1] werden auf der ersten Stufe zunächst immer das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und das Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres gegenübergestellt.

 

Rz. 52

Da das EStG keine Definition des Begriffs Betriebsvermögen enthält, muss sich diesem Begriff anders genähert werden. Der BFH sieht als Betriebsvermögen alle Wirtschaftsgüter an, die dem Betrieb dienen oder ihrer Art nach diesem zu dienen bestimmt sind.[2] Während der Wortbestandteil Vermögen somit als Summe von Wirtschaftsgütern, die dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, aufgefasst werden kann, ist noch nicht eindeutig und hinreichend bestimmt, wodurch dieses Vermögen zum Betriebsvermögen wird.[3] Hierzu wird die sog. Dreiteilung des Vermögens herangezogen:

  • notwendiges Betriebsvermögen,
  • gewillkürtes Betriebsvermögen und
  • notwendiges Privatvermögen.

Dem Betriebsvermögen zugeordnet werden können das notwendige und das gewillkürte Betriebsvermögen; beim notwendigen Privatvermögen ist dies nicht möglich.[4]

 

Rz. 53

Aus der Rechtsprechung des BFH ergibt sich folgende Abgrenzung:[5]

  • Betriebsvermögen umfasst Gegenstände, die aus betrieblicher Veranlassung (objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb) angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden.

    • Notwendiges Betriebsvermögen umfasst Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigene betriebliche Zwecke genutzt werden oder dazu bestimmt sind.[6] Dem Betrieb zu dienen meint, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sein müssen.[7]
    • Gewillkürtes Betriebsvermögen umfasst Wirtschaftsgüter, die objektiv dazu geeignet (objektives Merkmal) und erkennbar dazu bestimmt sein müssen (subjektives Merkmal), den Betrieb mittelbar[8] zu fördern. Diese dürfen weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwen...

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