Leitsatz

Im Falle der Realteilung einer ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelnden (freiberuflichen) Mitunternehmerschaft ohne Spitzenausgleich besteht keine Verpflichtung zur Erstellung einer Realteilungsbilanz nebst Übergangsgewinnermittlung, wenn die Buchwerte fortgeführt werden und die Mitunternehmer unter Aufrechterhaltung der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ihre berufliche Tätigkeit in Einzelpraxen weiterbetreiben.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1, § 4 Abs. 3, § 16 Abs. 2, § 16 Abs. 3, § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Die beiden Kläger betrieben im Streitjahr 2002 eine Steuerberatungs- und Rechtsanwalts-GbR, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Nach Kündigung der GbR zum 31.12.2002 regelten sie die Übernahme der Gesellschaftsverbindlichkeiten und vereinbarten, dass jeder Kläger die von ihm bis dahin betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter zu Alleineigentum erhalten solle. Ab 2003 betrieben beide ihre berufliche Tätigkeit in Einzelpraxen weiter und ermittelten ihren Gewinn jeweils durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung, wobei sie die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter fortführten.

Das FA vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, dass die GbR zum 31.12.2002 durch Realteilung ohne Spitzenausgleich auseinandergesetzt worden sei und der Gewinn zu diesem Stichtag durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln sei. Dadurch erhöhe sich der laufende Gewinn infolge des Übergangsgewinns um 283.203 EUR auf 600.523 EUR.

Das FG Rheinland-Pfalz gab der Klage statt (Urteil vom 2.5.2012, 1 K 1146/10, Haufe-Index 3441741, EFG 2012, 1621). Es entschied, ein Übergang von der Einnahme-Überschuss-Rechnung zum Bestandsvergleich sei nicht erforderlich.

 

Entscheidung

Der BFH stimmte dem FG zu und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil erleichtert die Auseinandersetzung von Personengesellschaften mit Einnahmen-Überschuss-Rechnung, weil ein Übergangsgewinn – was bislang streitig war – in Fällen ohne Spitzenausgleich oder sonstige Abfindung nicht ermittelt werden muss.

1. Realteilung ist die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt.

Werden im Zuge der Realteilung Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so haben die Mitunternehmer nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG die ertragsteuerlichen bzw. Buchwerte fortzuführen, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Dies gilt für die Beendigung einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft entsprechend (§ 18 Abs. 3 EStG).

2. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln. Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, müssen bei einer Betriebsveräußerung zum Bestandsvergleich übergehen; die daraus resultierenden Zu- und Abrechnungen (sog. Übergangsgewinn) gehören zum laufenden Gewinn. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG ist aber auf die Realteilung ohne Spitzenausgleich nicht anzuwenden, da hierfür durch § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG die Buchwertfortführung angeordnet wird. Eine Verpflichtung zur Erstellung einer Realteilungsbilanz und zur Ermittlung eines Übergangsgewinns ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen, insbesondere nicht aus dem Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit.

3. Infolge der Buchwertfortführung rücken die Gesellschafter in Bezug auf die übernommenen Wirtschaftsgüter in die Rechtstellung der Gesellschaft ein, z.B. hinsichtlich der AfA; eine etwaige §-6b-Rücklage könnten sie anteilig fortführen (EStR 2012, R 6b.2 Abs. 9 Satz 3).

Die Aufteilung kann durch gezielte Zuteilung von Wirtschaftsgütern mit hohen stillen Reserven an einen der Mitunternehmer zur Steuergestaltung genutzt werden, d.h. indem die stillen Reserven abweichend von der Beteiligungsquote überspringen.

4. Das Urteil trifft weder Aussagen zur Realteilung einer bilanzierenden Mitunternehmerschaft noch zur Realteilung mit Wertausgleich.

Nach Verwaltungsansicht haben bilanzierende Mitunternehmerschaften die Kapitalkonten der Gesellschafter steuerneutral auf- oder abzustocken, sofern die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter nicht dem bisherigen Kapitalkonto entsprechen (BMF, Schreiben vom 28.2.2006, BStBl I 2006, 228); Ergänzungsbilanzen sind nicht zu erstellen. Hierdurch können ebenfalls stille Reserven zwischen den Gesellschaftern verlagert werden.

Die Behandlung der Realteilung mit Spitzenausgleich ist zweifelhaft: Anwendung der Trennungstheorie mit anteiliger Aufdeckung stiller Reserven (so BMF, Schreiben vom 11.8.1994, BStBl I 1994, 601) oder der Einheitstheorie (entspr. BFH, Urteil vom 19.9.2012, IV R 11/12, BFH/NV 2012, 1880, B...

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