Leitsatz

1. Die Betreiberin einer Blindenführhundeschule erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

2. Eine "unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit" i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert ein Tätigwerden gegenüber Menschen.

3. Aus Art. 20a GG folgt keine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ausbildung von Blindenführhunden.

 

Normenkette

§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, § 15 EStG, Art. 20a GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Hundeschule. Sie bildet jährlich drei bis fünf Hunde zu Blindenführhunden aus. Sie sucht die Hunde gemeinsam mit dem sehbehinderten Menschen aus und erwirbt den Welpen auf eigene Rechnung. Nach der Ausbildung wird der Hund von der Klägerin an den Sehbehinderten übergeben. Sie begleitet die Übergabe, die in der Regel mit einer Gespannprüfung durch die Krankenkasse abschließt. Danach veräußert sie den Hund an die Krankenkasse. Der Hund wurde im Streitjahr als medizinisches Hilfsmittel i.S.d. Sozialhilfegesetzes anerkannt.

Das FA war der Auffassung, dass es sich bei den Einkünften der Klägerin aus dem Verkauf und der Ausbildung der Blindenführhunde um gewerbliche Einkünfte handelt und setzte den Gewerbesteuermessbetrag fest.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Münster, Urteil vom 12.9.2014, 4 K 69/14 G, Haufe-Index 7446029, EFG 2014, 2063).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung beruht auf einer Zulassung der Revision durch den BFH. Seit der Entscheidung des RFH zur Dressur von Rennpferden gab es keine höchstrichterliche Entscheidung mehr zu der Frage, ob die Ausbildung von Tieren als eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu qualifizieren ist. Der BFH maß dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zu, hat sie jedoch verneint.

2. Die Ausbildung von Tieren ist keine freiberufliche Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern führt zu Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG. Der Begriff "unterrichtende" oder "erzieherische Tätigkeit" i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert ein Tätigwerden gegenüber Menschen.

Steuerrechtlich wird der Begriff des Unterrichts und der Erziehung von der Dressur von Tieren unterschieden. Dies gilt auch dann, wenn die Ausbildung der Tiere in einer "Hundeschule" erfolgt. Denn für Zwecke der Gesetzesauslegung gilt nur das allgemeine Sprachverständnis. Euphemismen, die insbesondere im Rahmen der Werbung und des Marketings Anwendung finden, ändern hieran nichts. Zudem ist allein die Bezeichnung des Unternehmens nicht entscheidend dafür, ob es sich um eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit handelt.

3. Bei der Betreuung des sehbehinderten Menschen während der Übergabe des Hundes handelt es sich um eine der Ausbildung des Tieres untergeordnete Tätigkeit. Danach ist der gesamte Betrieb der Klägerin als gewerblich anzusehen.

4. Auch der verfassungsrechtlich in Art. 20a GG verankerte Tierschutz gebietet keine andere Beurteilung. Der Schutz der Tiere wird durch die Besteuerung ihrer Ausbildung nicht betroffen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Lieferung von ausgebildeten Blindenführhunden nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.5.2017 – VIII R 11/15

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