Zusammenfassung

 
Überblick

Die Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb durch Anrechnung der Gewerbe- auf die Einkommensteuer dient der rechtsformneutralen Besteuerung und begünstigt Einzelunternehmer sowie Gesellschafter von Personengesellschaften. Ermäßigt wird die tarifliche Einkommensteuer, indem sie bis zum Veranlagungszeitraum 2019 um das 3,8-Fache, ab dem Veranlagungszeitraum 2020 um das 4-Fache des Gewerbesteuer-Messbetrags gemindert wird. Die entsprechende Regelung in § 35 EStG wurde zwischenzeitlich mehrfach geändert, zuletzt durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz (Gesetz v. 29.6.2020, BGBl 2020 I S. 1513).

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die gesetzliche Regelung findet sich in § 35 EStG. Die Finanzverwaltung verweist zu der Steuerermäßigung in R 35 EStR 2012 auf das Schreiben vom 3.11.2016 (BMF, Schreiben v. 3.11.2016, IV C 6 – S 2296-a/08/10002:003, BStBl 2016 I S. 1187).

1 Anwendungsbereich der Regelung

Die Steuerermäßigung gilt insbesondere für Einzelunternehmer, Gesellschafter von Personengesellschaften, persönlich haftende Gesellschafter von KGaA und atypisch stille Gesellschafter, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Erfasst werden sowohl unmittelbare als auch mittelbare Beteiligungen an Personengesellschaften. Es kommt nicht darauf an, ob der Einzelunternehmer bzw. Gesellschafter unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist. Auf Kapitalgesellschaften ist die Steuerermäßigung nach § 35 EStG nicht anwendbar[1], dies gilt auch dann, wenn sie an Personengesellschaften beteiligt sind.

2 Charakteristik der Steuerermäßigung

Die Regelung lässt sich wie folgt charakterisieren:

  • Es handelt sich um eine Steuerermäßigung, die in 3-facher Hinsicht begrenzt ist: auf den 3,8-fachen bzw. 4-fachen Gewerbesteuer-Messbetrag, auf die auf die gewerblichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer und auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer. Gemindert wird unmittelbar die Einkommensteuer, es wird kein Abzug von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vorgenommen. Dabei ist zu beachten, dass die Steuerermäßigung nach § 35 EStG Vorrang vor dem Baukindergeld nach § 34f EStG, dem Abzug von Parteispenden nach § 34g EStG, der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und Dienstleistungen nach § 35a EStG und der Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen an selbstbewohnten Gebäuden nach § 35c EStG hat.[1] Alle anderen Steuerermäßigungen, z.  B. für nicht entnommene Gewinne nach § 34a EStG und für ausländische Einkünfte nach § 34c EStG sind dagegen vor § 35 EStG anzuwenden. Vorrang vor § 35 EStG hat nach dessen Abs. 1 Satz 4[2] auch die Anrechnung ausländischer Steuern auf Kapitalerträge nach § 32d Abs. 6 Satz 2 EStG, wenn ein Antrag auf Günstigerprüfung für die Einkünfte aus Kapitalvermögen gestellt wird.
  • Es wird nicht die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer von der Einkommensteuer abgezogen, sondern höchstens das 3,8-Fache bzw. 4-Fache des Gewerbesteuer-Messbetrags. Hierbei handelt es sich um den Betrag, der sich nach Anwendung der Steuermesszahl nach § 11 Abs. 1 GewStG auf den um den Freibetrag gekürzten, abgerundeten Gewerbeertrag ergibt. Multipliziert man diesen Betrag mit dem Gewerbesteuer-Hebesatz der jeweiligen Gemeinde, ergibt sich die Gewerbesteuer-Belastung.
  • Der Abzug wird nur dann und nur insoweit gewährt, wie das zu versteuernde Einkommen gewerbliche Einkünfte enthält und darauf Einkommensteuer entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag). Daher können sich andere Einkünfte mittelbar auf die Steuerermäßigung auswirken.
  • Die Steuerermäßigung ist zusätzlich auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt. Damit wird eine im Fall eines niedrigen Gewerbesteuer-Hebesatzes mögliche Überkompensation, d.  h. eine die Gewerbesteuer-Belastung übersteigende Einkommensteuer-Ermäßigung, verhindert.
[2] § 35 Abs. 1 Satz 4 EStG wurde durch das Gesetz v. 26.6.2013, BGBl 2013 I S. 1809 entsprechend geändert; die Regelung gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2013.

3 Anwendung bei Einzelunternehmen

3.1 Grundfall

Der Gewerbesteuer-Messbetrag ist für jeden Gewerbebetrieb gesondert zu bestimmen. Hat ein Steuerpflichtiger mehrere Gewerbebetriebe bzw. hält neben einem Einzelunternehmen auch eine Beteiligung an einer Personengesellschaft, sind die einzelnen Gewerbesteuer-Messbeträge getrennt zu ermitteln, mit dem Faktor 3,8 bzw. 4 zu vervielfältigen und auf die zu zahlende Gewerbesteuer zu begrenzen.

Weist ein Einzelunternehmen oder eine Beteiligung einkommensteuerlich einen Verlust, wegen Hinzurechnungen jedoch einen positiven Gewerbeertrag aus, werden der Gewerbesteuer-Messbetrag und die Gewerbesteuer, die daraus resultieren, nicht berücksichtigt. Die verbleibenden Beträge sind zur Berechnung des Anrechnungsvolumens zusammenzufassen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Berechnung der Gewerbe- und Einkommensteuer

Ein lediger Einzelhändler hat im Jahr 2019 einen Gewinn vor Steuern von 102.770 EUR erzielt. Da keine Kürzungen und Hinzurechnungen anfallen, ist der Gewerbeertrag vor Abzu...

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