Erstellen Ehegatten mit gemeinsamen Mitteln auf einem ihnen je zur Hälfte gehörenden Grundstück ein Gebäude, das von beiden je zur Hälfte für eigenbetriebliche Zwecke genutzt wird (Fall 8), ist die Frage der Bilanzierung und AfA-Befugnis besonders problematisch.

 
Praxis-Beispiel

Jeder Ehegatte ist Inhaber eines Gewerbebetriebs

Der Ehemann A betreibt eine Versicherungsagentur, die Ehefrau B ist Inhaberin einer Boutique. Die Ehegatten errichten auf einem im Miteigentum beider je zur Hälfte stehenden Grundstück ein Gebäude, das sie zu je 50 % für betriebliche Zwecke nutzen, A als Büro für seine Versicherungsagentur, B als Laden für ihre Boutique. Die Herstellungskosten betragen 200.000 EUR. Sie werden von den Ehegatten je zur Hälfte finanziert, zur Hälfte aus Eigenmitteln und zur anderen Hälfte durch Aufnahme eines gemeinsamen Darlehens.

Nach Ansicht des Großen Senats des BFH[1] gilt hier Folgendes: Sowohl das von A genutzte Büro als auch der von B genutzte Laden sind ein selbstständiges Wirtschaftsgut, das den Betriebsinhabern zur Hälfte als Miteigentum zuzurechnen und zur anderen Hälfte "wie ein materielles Wirtschaftsgut" (nach neuerer Erkenntnis: als Aufwandsverteilungsposten) zu behandeln ist. Konkret bedeutet dies, dass jeder Ehegatte 25 % der Herstellungskosten (50.000 EUR) auf dem Konto "Gebäude" aktivieren muss. Insoweit handelt es sich bei A um den Miteigentumsanteil am eigenbetrieblich genutzten Büro und bei B um den Miteigentumsanteil an dem eigenbetrieblich genutzten Laden.

Darüber hinaus sind die Ehegatten nach dem Beschluss des Großen Senats[2] zur AfA auf die gesamten Herstellungskosten ihrer betrieblich genutzten Räume berechtigt. Es wurde entschieden, dass das Nettoprinzip gebietet, die erwerbssichernden Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die er im eigenen betrieblichen Interesse selbst getragen hat, bei der Ermittlung seiner Einkünfte zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige Eigentümer des Wirtschaftsguts ist, für das er Aufwendungen getätigt hat.[3]

Nutzen also Miteigentümer – wie im vorherigen Beispiel – ein Wirtschaftsgut (Gebäude) gemeinsam zur Erzielung von Einkünften, kann jeder die seinem Anteil entsprechende AfA in Anspruch nehmen, denn jeder setzt die gesamten auf seinen Anteil entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten zur Einkünfteerzielung ein. Jeder Ehegatte nutzt dann "seine" betrieblichen Räume zivilrechtlich nicht teils aus eigenem Recht und teils durch Überlassung zur Nutzung durch den oder die Miteigentümer, sondern er nutzt sie insgesamt in Ausübung seines Rechts als Miteigentümer.[4] Das gilt auch einkommensteuerrechtlich.

Soweit sich die den Ehegatten jeweils zuzurechnenden Herstellungskosten auf den Miteigentumsanteil des anderen an den eigenbetrieblich genutzten Räumen beziehen, sind sie als Aufwandsverteilungsposten "wie ein materielles Wirtschaftsgut" zu behandeln.[5] Die Ehegatten können den Auwandsverteilungsposten nach den für Gebäude im Privatvermögen geltende Vorschriften abschreiben. Steuerlichem Betriebsvermögen vorbehaltene Vergünstigungen und erhöhte Absetzungen (z. B. Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG, Abschreibungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, Sonderabschreibungen) sind allerdings auf diese Aufwendungen nicht anwendbar.[6]

Im Ergebnis sind also die Büroräume bei A und die Ladenräume bei B Betriebsvermögen, und zwar zur Hälfte als Gebäude und zur Hälfte als Aufwandsverteilungsposten, der kein Wirtschaftsgut darstellt. Jedem Ehegatten steht folglich die volle AfA für die von ihm eigenbetrieblich genutzten Räume zu, der Grund und Boden gehört aber bei jedem Ehegatten nur zur Hälfte (d. h. zu je 25 %) zum notwendigen Betriebsvermögen, die andere Hälfte (d. h. je 25 %) kann m. E. aber als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden.

Hinsichtlich des im zivilrechtlichen Eigentum des anderen Ehegatten stehenden hälftigen Anteils am Büro bzw. der Boutique kann bei Vorliegen einer besonderen Vereinbarung auch wirtschaftliches Eigentum des jeweiligen Betriebsinhabers anzunehmen sein. Sondervereinbarungen zwischen den Ehegatten können im Einzelfall dazu führen, dass der Unternehmer, der auf fremdem Grundstück baut, wirtschaftlicher Eigentümer der Baumaßnahmen wird.[7]

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