Leitsatz

Die Übertragung des Inventars einer Gaststätte ist auch dann eine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäftsveräußerung, wenn der Erwerber mit dem übertragenen Inventar die Gaststätte dauerhaft fortführen kann und selbst über die zur Fortführung der Tätigkeit erforderliche Immobilie verfügt, weil er diese von einem Dritten gepachtet hat (Anschluss an das BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 XI R 27/08, BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842; Abgrenzung vom BFH-Urteil vom 4. Februar 2015, XI R 42/13, BFHE 248, 472, BStBl II 2015, 616).

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, Art. 19, Art. 168 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 118 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übernahm im Frühjahr 2015 in M den Gastronomiebetrieb X vom vorherigen Betreiber C.

Der Kläger schloss am 30.1.2015 einen Mietvertrag mit der ... GmbH (Vermieterin) ab dem 1.3.2015 über die Räumlichkeiten, in denen sich der Gas­tronomiebetrieb X befand. Es galten die gleichen Konditionen wie in dem Vertrag zwischen der Ver­mieterin und C. Der Mietvertrag mit C wurde Gegenstand des nunmehr zwischen der Vermieterin und dem Kläger geschlossenen neuen Mietvertrags. Vermietet wurden lediglich die Räume, nicht hingegen die Gaststätteneinrichtung. Das Inventar erwarb der Kläger von C, und zwar mit Kaufvertrag vom 20.2.2015. Laut Inventarliste wurde die gesamte Einrichtung von Keller, Gastraum, Küche und Terrasse von C an den Kläger veräußert. Der Kaufpreis betrug 40.000 EUR zzgl. 7.600 EUR Umsatzsteuer.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ließ die vom Kläger geltend gemachte Vorsteuer i.H.v. 7.600 EUR nicht zum Abzug zu, da eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vorliege. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG Düsseldorf (Urteil vom 13.10.2017, 1 K 3395/15 U, Haufe-Index 11650299, EFG 2018, 881) wies die Klage ab. Es entschied, der Kläger sei nicht zum Vorsteuerabzug aus den von C bezogenen Eingangsleistungen berechtigt, weil es sich um eine Geschäftsveräußerung gehandelt habe. Der Kläger habe den übertragenen Gastronomiebetrieb X fortgeführt. Die mit Kaufvertrag vom 20.2.2015 von C erworbenen Gegenstände seien ein hinreichendes Ganzes, das dem Kläger die Fortführung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht habe.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Zur Lage bei C musste sich der BFH dabei nicht äußern.

Exkurs: Hinweis zur Lage bei C

C schuldet aufgrund der dem Kläger erteilten Rechnung mit offenem Steuerausweis Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG (vgl. BFH, Urteil vom 6.12.2007, V R 3/06, BFH/NV 2008, 1075, BFH/PR 2008, 314, BStBl II 2009, 203).

Diese Rechnung kann C zwar (mit Wirkung für die Zukunft, vgl. BFH, Urteil vom 12.10.2016, XI R 43/14, BFH/NV 2017, 408, Rzn. 35 f., BFH/PR 2017, 157) berichtigen. Die Wirksamkeit der Berichtigung setzt aber außerdem die Rückzahlung der Umsatzsteuer an den Kläger voraus (vgl. BFH, Urteil vom 16.5.2018, XI R 28/16, BFH/NV 2018, 1048, BFH/PR 2018, 256); denn dem Kläger steht ein zivilrechtlicher Anspruch gegen C auf Rückzahlung von 7.600 EUR zu, weil diese aufgrund einer Nettopreisvereinbarung nicht geschuldet wurden (vgl. BGH, Urteil vom 19.6.1990, XI ZR 280/89, NJW-RR 1990, 1199; Rz. 13; BGH, Urteil vom 2.7.2004, V ZR 209/03, NJW-RR 2005, 205, Rz. 11).

Falls C insolvent ist, erhält der Kläger nach ­der Rechtsprechung des EuGH die an C gezahlte Umsatzsteuer vom FA zurück, wenn diese an das FA abgeführt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 15.3.2007, C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken, BFH/NV Beilage 2007, 293, Haufe-Index 1718623; EuGH, Urteil vom 26.4.2017, C-564/15, Farkas, BFH/NV 2017, 1005, Haufe-Index 10673333). Der Fiskus bleibt deshalb auch in Insolvenzfällen nicht endgültig bereichert.

 

Hinweis

1. Die Beurteilung, ob eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) vorliegt, bereitet den Vertragsparteien in der Praxis immer wieder große Schwierigkeiten. Deshalb sind "Steuerklauseln" in solchen Verträgen empfehlenswert.

2. Voraussetzung für eine solche Geschäftsveräu­ßerung ist gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, Art. 19 MwStSystRL, dass ein Unternehmen/Gesamtvermögen oder ein "in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb"/Teilvermögen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.

Ein "Teilvermögen" ist eine Kombination von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde (vgl. BFH, Urteil vom 19.12.2012, XI R 38/10, BFH/NV 2013, 867, BFH/PR 2013, 198, BStBl II 2013, 1053, Rz. 35; BFH, Urteil vom 4.2.2015, XI R 14/14, BFH/NV 2015, 1212, BFH/PR 2015, 309, BStBl II 2015, 908, Rz. 26). Jede Übertragung ist für sich zu beurteilen; Erwerbe von mehreren Personen dürfen nicht zusammengerechnet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 30.5.2013, C‐651/11, X BV, BFH/NV 2013, 1212, HFR 2013, 754, Rz. 47; BFH, Urteil vom 4.2.20...

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