Eine der größten Herausforderungen im Geschäftsmodellinnovationsprozess liegt darin, die dominante Logik einer Branche radikal zu durchbrechen. Unternehmen wie IKEA oder Ryanair ist dies in der Vergangenheit gelungen. Es sind jedoch Ausnahmen – i. d. R. bewegen sich die meisten Unternehmen innerhalb ihrer Branchenlogik bzw. ihres Geschäftsmodells und versuchen, sich durch neue Produkt-, Service- oder Prozessoptimierungen/-innovationen vom Wettbewerb zu differenzieren. Das Ziel der Ideationsphase ist es, einen größeren Schritt zu machen, die "Extrameile" zu gehen und die bestehende Logik zu durchdringen.

Innovationen durch generische Geschäftsmodellmuster

Zur Unterstützung dieses Schritts verwendet der St. Galler Business Model Navigator generische Geschäftsmodellmuster. In einem langfristig angelegten Forschungsprojekt am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen wurden in einem mehrjährigen Zeitraum mehr als 250 BMIs der letzten 50 Jahre analysiert und ausgewertet. Als Ergebnis dieser Studie wurden 55 Geschäftsmodellmuster identifiziert – Logiken, auf denen erfolgreiche Geschäftsmodelle basieren. Ein von IKEA verwendetes Geschäftsmodellmuster ist beispielsweise "Self-Service" – die Logik, dass der Kunde einen Teil der Leistung selbst erbringt. Ein von Ryanair genutztes Geschäftsmodellmuster ist die Logik des "No Frills". Hier wird versucht, die Kosten auf das Minimum zu senken, indem auf den absoluten Kernnutzen (von A nach B zu fliegen) reduziert wird. Beide Muster dienen in diesen Beispielen dazu, Kosten zu senken, um ein Produkt bzw. eine Dienstleistung radikal günstiger anbieten zu können.

Abb. 4: Razor-and-Blade-Geschäftsmodellmuster im Zeitverlauf

Ideengenerierung profitiert von cross-funktionalen Teams

Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der Ideationsphase ist die bedachte Zusammenstellung der Workshop-Teilnehmer. Neben Entscheidern, Unterstützern und den tatsächlichen Umsetzern sollten noch weitere Teilnehmer, beispielsweise aus anderen Abteilungen oder gar Externe (z. B. Experten, Kunden, Geschäftspartner), den Ideengenerierungsprozess begleiten.

Kreative Adaption anstatt einfacher Kopien

Im eigentlichen Ideation-Workshop konfrontieren die Teilnehmer das bestehende Geschäftsmodell mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Geschäftsmodellmustern. In diesem Prozess geht es nicht um das Kopieren eines Geschäftsmodells, sondern um deren kreative Adaption. Wir nennen diese Technik "Musterkonfrontationstechnik" und haben hierfür 2 Ansätze entwickelt, das Ähnlichkeits- und das Konfrontationsprinzip:

  • Ähnlichkeitsprinzip: Beim Ähnlichkeitsprinzip geht man von innen nach außen vor, d. h. man beginnt mit Musterkarten von stark analogen Branchen und bewegt sich in Richtung weniger stark analoger Branchen und überträgt dieses auf das eigene Geschäftsmodell. Die dominante Fragestellung lautet beim Ähnlichkeitsprinzip: Welche Veränderung kann durch die Übertragung des Musters XY in meinem Geschäftsmodell bewirkt werden?
  • Konfrontationsprinzip: Anders als beim Ähnlichkeitsprinzip erfolgt die Suche nach neuen Geschäftsmodellmustern beim Konfrontationsprinzip nicht durch ein vorsichtiges Öffnen und Abtasten stark analoger Optionen, sondern durch die bewusste Konfrontation mit Extremen. Hierbei wird das derzeitige Geschäftsmodell möglichst branchenfremden Geschäftsmodellszenarien und -logiken ausgesetzt.

Die Geschäftsmodellmusterkarten sind 1. eine Inspirationsquelle für Kreativität, 2. motivieren sie die Teilnehmer, über das Geschäftsmodell in all seinen Dimensionen nachzudenken, und verhindern dadurch ein Denken auf einer einzigen Ebene (z. B. der Produkt- oder Feature-Ebene).

Teilnehmer können kreativ über- und unterfordert sein

Trotz der beschriebenen starken Methodik gibt es Fallstricke und Beschränkungen. Werden beispielsweise nur die Geschäftsmodellmuster herangezogen, die naheliegend sind und scheinbar gute Lösungen für die identifizierten Probleme und Bedürfnisse beinhalten (Ähnlichkeitsprinzip), kann es passieren, dass nur wenig kreative Lösungen und keine radikalen Geschäftsmodelle entwickelt werden. Werden andererseits nur die Geschäftsmodellmuster in der Ideationsphase verwendet, die nicht intuitiv erscheinen (Konfrontationsprinzip), sind Teilnehmer schnell kognitiv überfordert. Ein erfahrener Workshop-Moderator sowie eine intensive Auseinandersetzung mit dem Unternehmen und dessen Umwelt sind daher essenziell für den Erfolg des Ideationsprozesses.

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