Leitsatz

Die Vergabe eines zinslosen Gesellschafterdarlehens kann eine "Geschäftsbeziehung" i.S.d. § 1 AStG i.d.F. des StÄndG 1992 begründen (Klarstellung zum Senatsurteil vom 29.11.2000, I R 85/99, BFH/NV 2001, 833, BFH/PR 2001, 264 und zum Senatsurteil vom 27.08.2008, I R 28/07, BFH/NV 2009, 123; Bestätigung des BMF-Schreibens vom 12.01.2010, BStBl I 2010, 34).

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 und Abs. 4 AStG a.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin hielt in den Streitjahren zunächst 97 % und später 100 % der Anteile an einer ungarischen Kapitalgesellschaft. Diese hatte in Ungarn ein Fabrik- und Verwaltungsgebäude errichtet und dieses sodann verpachtet; ihr Stammkapital betrug umgerechnet 65 000 EUR.

Zur Finanzierung der Herstellungskosten des Gebäudes hatte die Klägerin der Beteilungsgesellschaft im Jahr 1998 ein unverzinsliches Darlehen i.H.v. 370 500 DM gewährt. Das FA nahm an, dass die Darlehensgewährung § 1 Abs. 1 AStG a.F. unterfalle, und setzte auf dieser Basis bei der Besteuerung der Klägerin geschätzte fiktive Zinseinnahmen i.H.v. 22 230 DM pro Jahr einkommenserhöhend an. Der deshalb erhobenen Klage hat das FG stattgegeben (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2009, 5 K 118/09, Haufe-Index 2236766).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil indessen auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurück:

Das zinslos gewährte Gesellschafterdarlehen sei nur dann nicht Gegenstand einer "Geschäftsbeziehung", wenn es entweder nach den Vorschriften des für die Darlehensnehmerin maßgeblichen Gesellschaftsrechts als Zuführung von Eigenkapital anzusehen sei oder wenn sie der Zuführung von Eigenkapital in einer Weise nahestehe, die eine steuerrechtliche Gleichbehandlung mit jener gebiete. Letzteres sei insbesondere dann der Fall, wenn die Darlehensgewährung eine unzureichende Eigenkapitalausstattung der Kapitalgesellschaft ausgleiche und eine notwendige Bedingung dafür sei, dass diese Gesellschaft die ihr zugedachte wirtschaftliche Funktion erfüllen könne.

Die Feststellungen des FG genügten nicht. Insbesondere sei der bloße Hinweis auf den eher indifferenten Begriff eines "Finanzplandarlehens" unzulänglich und wenig aussagekräftig. Es fehlten in diesem Zusammenhang auch Feststellungen dazu, ob das ungarische Gesellschaftsrecht die Darlehenssumme als Eigen- oder als Fremdkapital ansehe.

 

Hinweis

Die Fragen nach dem Vorliegen einer "Geschäftsbeziehung" in § 1 Abs. 1 AStG bis zu dessen Novellierung durch das StVergAbG vom 16.05.2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) nehmen kein Ende:

1. Einerseits bekräftigt der BFH abermals seine einschlägige Rechtsprechung, wonach eine Gewinnkorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. nicht in Betracht kommt, wenn der betreffenden Beziehung zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft als ihm nahestehender Person (§ 1 Abs. 2 AStG) kapitalersetzenden Charakters ist und damit nicht auf einer (schuldrechtlichen) "Geschäftsbeziehung" i.S.v. § 1 Abs. 1 und 4 AStG basiert.

Das wurde seitens des BFH erstmals im Urteil vom 29.11.2000, I R 85/99 (BFH/NV 2001, 833, BFH/PR 2001, 264) für eine unentgeltliche konzerninterne Garantieerklärung (sog. Patronatserklärung) judiziert, sodann im Urteil vom 27.08.2008, I R 28/07 (BFH/NV 2009, 123) abermals für eine unentgeltliche Garantieerklärung und schließlich nochmals für ein zinsloses und unbesichertes Gesellschafterdarlehen bzw. konzerninterne zinslose Lieferkredite wiederholt (BFH, Beschlüsse vom 29.04.2009, I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648, BFH/PR 2009, 396).

2. In die Notwendigkeit für diese beständigen Wiederholungen versetzte den BFH die Finanzverwaltung, die die Rechtsprechung lange Zeit partout nicht hinnehmen wollte (s. den Nichtanwendungserlass vom 17.10.2002, BStBl I 2002, 1025) und immer wieder neue Anläufe unternahm, den BFH anderweitig zu überzeugen, was misslang.

Zwischenzeitlich hat die Verwaltung allerdings denn doch eingelenkt und die Rechtsprechung akzeptiert (BMF, Schreiben vom 12.01.2010, BStBl I 2010, 34). Sie schränkt aber ein: Es müsse sich schon um kapitalersetzende Maßnahmen handeln, um eine "Geschäftsbeziehung" im genannten Sinn auszuschließen.

Diese Einschränkung ergab sich letztlich in der Tat aus der bisherigen Rechtsprechung, und daran knüpft der BFH denn jetzt auch an.

3. Die Rechtsprechung betrifft "altes" Recht, nämlich die Gesetzeslage bis zum VZ 2002 (vgl. § 21 Abs. 11 S. 1 AStG n.F.). Seitdem wurde § 1 Abs. 4 AStG n.F. umformuliert, insbesondere dahin, dass "Geschäftsbeziehung … jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung (ist), die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist …". Möglicherweise sieht die Welt hiernach anders aus und rechtfertigt ein Rechtsverständnis, wonach die äußere "Form" der Vertragsbeziehung deren "Inhalt" – den eigentlichen Kapitalersatz – überspielt ("form over substance").

4. Ob die Rechtslage in der Steuergegenwart anders einzuschätzen ist, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob § 1 AStG überhaupt unionsrechtlichen Anforderungen genügt.

a) Davon könnte zwar auszugehen sein, nachdem der Eu...

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