Rz. 20

Die handelsrechtliche Verpflichtung zur Aktivierung des entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes stimmt mit der steuerlichen Betrachtungsweise überein; hier ist der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert ebenfalls zu aktivieren.

Nach gefestigter steuerlicher Rechtsprechung ist Geschäftswert der Mehrwert, der einem gewerblichen Unternehmen über den Substanzwert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter abzüglich Schulden hinaus innewohnt. Er wird durch die Gewinnaussichten bestimmt, die, losgelöst von der Person des Unternehmers, aufgrund besonderer, dem Unternehmen eigenen Vorteile, z. B. Ruf, Kundenkreis, Organisation, usw., höher oder gesicherter erscheint als bei einem anderen Unternehmen mit sonst vergleichbaren Wirtschaftsgütern.[1]

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können einen Geschäftswert sowohl Betriebe als auch Teilbetriebe haben.[2] Der Geschäftswert muss durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen gewährleistet erscheinen, er ist nicht die Summe einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter –[3] diese sind abzugrenzen. Das erfordert aber Anhaltspunkte dafür, dass der über den Wert des Inventars hinausgehende Kaufpreisteil die Gegenleistung für ein bestimmtes abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut ist.[4]

 

Rz. 21

Die vom Geschäftswert gesondert anzusetzenden immateriellen Wirtschaftsgüter – sog. geschäftswertbildende Faktoren wie z. B. Kundenstamm, Auftragsbestände bzw. Fertigungsverträge – müssen nach der Verkehrsanschauung als Einzelwirtschaftsgüter anzusehen sein, ihnen muss mit der erforderlichen Sicherheit ein Teil des Gesamtkaufpreises zugeordnet werden können und die Vertragsparteien müssen im Rahmen der Vertragsabwicklung eine rational nachvollziehbare Einzelbewertung vorgenommen haben.[5]

In ständiger Rechtsprechung versteht der BFH hierunter „Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können."[6]

Zu den Komponenten eines Geschäftswerts zählt auch ein Kundenstamm, zu dessen Bewertung drei Bewertungsverfahren zur Anwendung kommen.

  • kostenorientierte Bewertung Diesem Verfahren werden die Kosten zugrunde gelegt, die für den Aufbau eines vergleichbaren Kundenstamms aufzuwenden wären (Reproduktionskostenmethode, Wiederbeschaffungsmethode)
  • erfolgs(kapitalwert)orientierte Bewertung

    Diesem Verfahren liegt i. d. R. die Finanzplanung zugrunde, aus der die finanziellen Vorteile aus dem bestehenden Kundenstamm in der Zukunft berechnet werden

  • marktorientierte Bewertung

    Mit diesem Verfahren wird unter Zugrundelegung der Marktpreise ermittelt, welche Einnahmen sich mit dem Kundenstamm zukünftig erzielen lassen.

In der Praxis wird überwiegend das kapitalwertorientierte Verfahren angewendet, auch indikative Bewertung genannt. Bei diesem Verfahren liegt der Schwerpunkt auf der Finanzplanung, d. h. Bewertung erfolgt unter Zugrundelegung folgender Unterlagen:

  1. zuletzt festgestellter Jahresabschluss
  2. vorläufiger Abschluss des Jahres der Bewertung
  3. Businessplan für die kommenden 5 Jahre

Einmaleffekte, z. B. „sale and lease back”-Transaktionen, sind außer Betracht zu lassen. Folgendes Berechnungsschemata:

 

Businessplan

  Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5 Jahr 6
EBITDA 514 514 495 444 355 213
Kapitalisierungsfaktor 1) 6,1 % 6,1 % 6,1 % 6,1 % 6,1 % 6,1 %
Periode (mit year Convention) 0,5 1,5 2,5 3,5 4,5 5,5
Barwertfaktor 0,971 0,915 0,862 0,812 0,765 0,721
Barwert der Zahlungsströme 499 470 427 360 271 154

Summe der Barwerte 2) =

Wert des Kundenstamms
2181          

[7]

Die Frage ist, ob ein (bewerteter) Kundenstamm separat verkauft werden kann; hierzu ein Beispiel:

"Ein Übernahmevertrag zwischen Muttergesellschaft M und neu gegründeter Tochtergesellschaft T hat eine Übertragung (nur) eines Kundenstammes (nicht Laufkundschaft) zum Gegenstand. Die übertragende Gesellschaft arbeitet im medizinischen Bereich. Durch die vorg. Transaktion mit einem Kaufpreis von 4 Mio. EUR (nach einem externen Experten-Gutachten) wird aus einem operativen Verlust der M leichter Bilanzgewinn."

Geschäftswertbildende Faktoren wie Kundenstamm können nicht einzeln als Vermögensgegenstand angesetzt werden, auch wenn sie als Komponente des Geschäfts- und Firmenwerts einer Bewertung mit einem anerkannten Bewertungsverfahren grundsätzlich zugänglich sind. Er ist mit dem Betrieb verwoben und kann daher weder separat veräußert noch entnommen werden. Ein Kundenstamm als Teil eines Geschäftswertes folgt dem übertragenen Betrieb und kann grundsätzlich nur mit diesem erworben werden.[8]

Für o. g. Beispiel bedeutet dies: In § 247 Abs. 1 HGB wird der Inhalt der Bilanz postuliert. Mit der Ausnahme von einer Übertragung eines Kundenstammes für einen gleichzeitig abgetretenen Exportmarkt stellt der Kundenstamm einen unselbstä...

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