Kommentar

1. Üblicherweise von einem Dritten für eine Arbeitsleistung gezahlte (freiwillige) Trinkgelder sind steuerpflichtig und gehören insoweit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, als sie insgesamt den Freibetrag von 2.400 DM ( § 3 Nr. 51 EStG ) im Kalenderjahr übersteigen ( BFH, Urteil v. 23. 10. 1992, VI R 62/88 ).

2. Übliche Lohnzahlungen Dritter unterliegen dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber ( § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ). Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß an Bedienungen im Gaststättengewerbe in aller Regel Trinkgelder gezahlt werden.

3. Freiwillige Trinkgelder unterliegen dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber aber nur, soweit dieser über deren Höhe in Kenntnis gesetzt wird, z. B. dadurch, daß er in den Zahlungsvorgang eingeschaltet wird, oder daß seine Arbeitnehmer über derartige Zuflüsse Angaben machen.

Es bleibt offen, ob die Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer bereits im Lohnsteuer-Abzugsverfahren verpflichtet sind, sich wie im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber zu erklären. Jedenfalls hat der Arbeitgeber keine Handhabe, derartige Verpflichtungen durchzusetzen. Der Arbeitgeber ist auch nicht befugt, Besteuerungsgrundlagen zu Lasten Dritter – hier seiner Arbeitnehmer – zu schätzen, da das Gesetz eine derartige Befugnis, wie sie dem Finanzamt in § 162 AO eingeräumt wird, nicht eröffnet ( Lohnsteuerhaftung ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.10.1997, VI R 23/94

Anmerkung:

Vorstehend mitgeteilte Entscheidung ist insbesondere für das Hotel- und Friseurgewerbe, aber auch für Taxiunternehmen, Altenheime, Krankenhilfsdienste und darüber hinaus für das gesamte Dienstleistungsgewerbe von größter Bedeutung.

In vergleichbaren Fällen nimmt nämlich die Verwaltung – wie auch im Streitfall – wegen der Lohnsteuer auf Trinkgelder bisher regelmäßig die Arbeitgeber im Wege der Lohnsteuerhaftung in Anspruch ( Abschn. 106 Abs. 5 LStR ). Dabei geht die Finanzverwaltung von der Auffassung aus, die Arbeitnehmer seien verpflichtet, für jeden Lohnzahlungszeitraum die Höhe der steuerpflichtigen Trinkgelder ihrem Arbeitgeber schriftlich anzuzeigen ( Abschn. 106 Abs. 2 Satz 3 LStR unter Hinweis auf § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ). Im EStG ist jedoch, was der BFH allerdings überraschenderweise offenläßt, eine solche Meldepflicht der Arbeitnehmer m. E. nicht geregelt. Wie der BFH gleichwohl zu dem zutreffenden Ergebnis kommt, das Gesetz biete dem Arbeitgeber keine Handhabe zur Durchsetzung der Meldepflicht, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen.

Um Klarheit zu schaffen und das – auch auf diesem Gebiet tatsächlich bestehende – Vollzugsdefizit zu beseitigen, wird der Gesetzgeber wohl demnächst tätig werden. Solange dies nicht der Fall ist, können sich die Arbeitgeber künftig gegen ihre Inanspruchnahme durch Haftungs bescheide für Lohnsteuer auf Trinkgelder ihrer Arbeitnehmer generell mit Erfolg wehren.

Eine Inanspruchnahme der einzelnen Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren wird voraussichtlich angesichts des Personalmangels in der Finanzverwaltung nicht effizient durchgeführt und das Vollzugsdefizit nicht beseitigt werden können. Der Forderung nach vollständiger Steuerbefreiung von Trinkgeldern nachzugeben, erscheint im Hinblick auf die Haushaltsprobleme wenig wahrscheinlich. Der jetzige Zustand, wonach im wesentlichen nur die Trinkgelder der meldewilligen Arbeitnehmer besteuert werden, sollte nicht längere Zeit fortbestehen, insbesondere auch deshalb, weil der Anteil der nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer im Dienstleistungsgewerbe erfahrungsgemäß sehr hoch ist. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

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