Sind keine konkretisierten Garantie- oder Gewährleistungsfälle bekannt, für die eine Einzelrückstellung zu bilden ist, können alternativ auch – insbesondere bei Massengeschäften – Pauschalrückstellungen gebildet werden.[1] Insbesondere in der Automobil- und Baubranche sind diese Pauschalrückstellungen von großer Bedeutung, da dort erhebliche Gewährleistungsrisiken entstehen können.

Grundsätzliche Voraussetzung für die Bildung von Pauschalrückstellungen ist, dass

  • der Kaufmann aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme von Garantieverpflichtungen rechnen muss, oder
  • sich aus der branchenmäßigen Erfahrung und der individuellen Gestaltung des Betriebs die Wahrscheinlichkeit ableiten lässt, Garantieleistungen erbringen zu müssen.[2]

Hierbei kommt es auf die zu erwartende tatsächliche Inanspruchnahme des zur Garantie verpflichteten Kaufmanns an, nicht auf eine nach der Einschätzung der Auftraggeber mögliche Inanspruchnahme.[3] Bloße Vermutungen oder pessimistische Einschätzungen des Unternehmers reichen hingegen für die Bildung einer Pauschalrückstellung nicht aus.

 
Hinweis

Erfahrungen aus der Vergangenheit

Bei der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme sind in erster Linie eigene Erfahrungen aus der Vergangenheit maßgebend. Bei der Bemessung eines Vergleichszeitraums ist jedoch eine ausreichende zeitliche Dimensionierung zwingend erforderlich, um unvermeidlichen Zufallsschwankungen angemessen begegnen zu können. Weit zurückliegenden Zeiträume dürfen aber nicht mehr in dem Umfang einbezogen werden, da diese im Hinblick auf danach eingetretene neuere Entwicklungen kein reales Erfahrungsbild für die Zukunft mehr widerspiegeln und damit für die Bemessung der Höhe des Risikos nicht angemessen sind.[4] Des Weiteren kann sich der Steuerpflichtige auch nicht auf branchenübliche Rückstellungssätze berufen, wenn seine eigenen Erfahrungen aus der Vergangenheit dazu im Widerspruch stehen.[5] Ferner reicht auch ein bloßer Hinweis auf Vergleichsbetriebe und deren steuerliche Behandlung nicht aus.[6]

Tatsächlich angefallene Garantie- und Gewährleistungsfälle sollten deshalb exakt dokumentiert werden, um einen verlässlichen und nachweisbaren betrieblichen Erfahrungssatz begründen zu können. Es sollten über mehrere Jahre hinweg Aufzeichnungen über die ausgeführten Nachbesserungsarbeiten erstellt und diese den entsprechenden Aufträgen konkret zugeordnet werden.

Es empfiehlt sich, als Nachweis insbesondere folgende Unterlagen zu dokumentieren und aufzubewahren:

  • Schriftliche Reklamationen von Kunden
  • Protokolle über festgestellte Mängel
  • Berichte über die durchgeführten Maßnahmen (Mängelberichte, Stundenprotokolle der eingesetzten Mitarbeiter, 8D-Reporte etc.)
  • Kostenaufstellungen für die Mängelbeseitigung
  • Lieferscheine und Rechnungen von Rücklieferungen und Ersatzlieferungen

Die Berechnung der Höhe einer Pauschalrückstellung kann vereinfachend über einen prozentualen Anteil von den entsprechenden Umsätzen ermittelt werden. Die heranzuziehenden Umsätze sind zu kürzen, wenn sie nicht unter einer Garantieverpflichtung stehen oder Rückgriffsrechte gegen Dritte (z. B. Vorlieferanten) bestehen. Sofern keine höheren Prozentsätze nachgewiesen werden, kann grundsätzlich – analog zu den pauschalen Gewährleistungsrückstellungen – eine pauschale Garantierückstellung in Höhe von 0,5 % des garantiebehafteten Umsatzes angesetzt werden.[7] Der anzuwendende Prozentsatz muss jedoch den tatsächlich in der Vergangenheit eingetretenen Verhältnissen entsprechen. Unterstellte Garantiezeiträume und -prozentsätze, die keinen Bezug zur tatsächlichen Inanspruchnahme haben, stehen nicht im Einklang mit geltenden Bilanzierungsgrundsätzen und werden von den Finanzämtern in der Regel nicht akzeptiert.[8]

 
Hinweis

Pauschalrückstellungen in der Baubranche

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind bei Gewährleistungsrückstellungen in der Baubranche insbesondere auch die in der Bauwirtschaft unterschiedlichen Gewährleistungszeiträume und Risiken bei Bauvorhaben zu beachten. Die pauschale Rückstellungsbildung kann nicht auf einen von vornherein abstrakt festgelegten Prozentsatz der garantiebehafteten Umsätze beschränkt werden.

Bei der Ermittlung stehen die Gegebenheiten der speziellen Branche (z. B. Hoch-, Tief- oder Straßenbau), die individuell technischen und betriebswirtschaftlichen Verhältnisse (z. B. Qualitätsmanagement, Produktionsverfahren und Materialeinsatz) und die konkreten vertraglichen Vereinbarungen (z. B. individueller Gewährleistungszeitraum) im Vordergrund. Es sind hierbei immer die jeweiligen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der vorhandenen betriebswirtschaftlichen individuellen Gegebenheiten maßgebend. Die Finanzverwaltung lehnt aus diesem Grund eine allgemein gültige Leitlinie für die Berechnung von Pauschalrückstellungen in der Bauwirtschaft ab, da dies aufgrund der unterschiedlichen betrieblichen Verhältnisse und zivilrechtlichen Vereinbarungen zu nicht sachgerec...

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