Rz. 8

Kein allgemeingültiges steuerliches Begriffsverständnis

Zwar findet der Funktionsbegriff in vielen Bereichen des Steuerrechts Verwendung.[1] Ein allgemein gültiges Begriffsverständnis fehlt gleichwohl. Vielmehr ist der Funktionsbegriff von jeweils unterschiedlichen Begriffsinhalten geprägt.[2]

Mangels einer Legaldefinition boten bisher die Verlautbarungen der Finanzverwaltung einen Anhaltspunkt für die inhaltliche Konkretisierung des Funktionsbegriffs. Allerdings gingen die VWG 1983[3] ebenso wie die – zwischenzeitlich durch die VWG BsGa[4] überholten – Betriebsstätten-VWG[5] über eine beispielhafte Begriffsbildung ("Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, verwaltungsbezogene Leistungen, Absatz, Dienstleistungen") nicht hinaus. Gleiches gilt für die VWG-Verfahren.[6]

 

Rz. 9

Begriffsdefinition gem. § 1 Abs. 1 FVerlV

Der Funktionsbegriff wird in § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG nicht definiert, dafür findet sich eine Begriffsbestimmung in § 1 FVerlV. Gemäß § 1 Abs. 1 FVerlV ist eine Funktion "eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden". Die Begriffsdefinition entspricht weitestgehend dem betriebswirtschaftlichen Begriffsverständnis.[7] Ferner wird der Funktionsbegriff durch § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV weitergehend dahin definiert, dass eine Funktion "ein organischer Teil eines Unternehmens [ist, d. Verf.], ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen muss."

 

Rz. 10

Gleichsetzung von Funktion und Geschäftstätigkeit

Im Ausgangspunkt setzt die Begriffsdefinition "Funktion" und "Geschäftstätigkeit" gleich und versucht die Geschäftstätigkeit unter Rückgriff auf die Aufgabenverteilung im Unternehmen zu konkretisieren. Die Definition lässt jedoch offen, was konkret eine Geschäftstätigkeit ausmacht. Auffällig ist zunächst, dass jedweder Bezug zum Sachziel des Unternehmens fehlt. Nach dieser Begriffsbildung erfüllt etwa die Zusammenfassung einfachster Tätigkeiten diese Anforderungen, wenn sie nur von demselben Funktionsträger erfüllt werden. Ein solcherart weitgehendes Begriffsverständnis impliziert auch § 1 Abs. 3b Satz 3 AStG, wonach die Auslagerung einer Tätigkeit, die sodann vom übernehmenden Unternehmen ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausgeübt wird und deren Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode zu bemessen ist, als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sein soll.[8] Vom Sachziel des Unternehmens ("unternehmerische Gesamtaufgabe") grenzt sich eine Funktion dadurch ab, dass sie nur einen Bestandteil dieser ausmacht, deshalb nicht sämtliche zur Erwirtschaftung der Gesamtwertschöpfung notwendigen Elemente umfasst und durch dementsprechend eingeschränkte Entscheidungs-, Weisungs- und Ausführungsbefugnisse gekennzeichnet ist.[9] Von der einzelnen Tätigkeit – gewissermaßen die Abgrenzung der Funktion "nach unten" – fehlt demgegenüber jedwede Abgrenzung, sodass eine tätigkeitsbezogene Atomisierung des Funktionsbegriffs festzustellen ist.[10] Die VWG-Funktionsverlagerung führen zur Konkretisierung der Geschäftstätigkeit lediglich aus, dass eine Geschäftstätigkeit auch dann vorliegt, wenn sie nur konzernintern ausgeübt wird, es mithin – insofern – keiner Marktteilnahme gegenüber unverbundenen Unternehmen bedarf.[11] Ferner wird die Notwendigkeit der Abgrenzung gegenüber der übrigen Geschäftstätigkeit herausgestrichen,[12] ohne dass eine inhaltliche Konkretisierung gegenüber einzelnen Tätigkeiten vorgenommen wird.

 

Rz. 11

Produkt- und marktbezogenes Begriffsverständnis

Die VWG-Funktionsverlagerung gehen neben einem tätigkeitsbezogenen kumulativ auch von einem produktbezogenen Begriffsverständnis aus. So heißt es in Rz. 16: "Zur eindeutigen Abgrenzung einer Funktion von der übrigen Geschäftstätigkeit ist es in Verlagerungsfällen notwendig, die betreffende Funktion anhand der verwendeten Wirtschaftsgüter (insbesondere der immateriellen Wirtschaftsgüter) und Vorteile sowie der mit der bestimmten Geschäftstätigkeit konkret verbundenen Chancen und Risiken tätigkeitsbezogen und objektbezogen zu definieren."[13] Beispielhaft werden "die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe, der Vertrieb eines bestimmten Produkts, einer bestimmten Produktgruppe oder eine bestimmte Geschäftstätigkeit für eine bestimmte Region" angeführt. Frischmuth spricht in diesem Zusammenhang von einer horizontalen und vertikalen Atomisierung des Funktionsbegriffs.[14] Fraglich ist, ob sich dieses Begriffsverständnis noch mit § 1 Abs. 1 FVerlV vereinbaren lässt. Ausweislich der Verordnungsbegründung sollte eine "ausufernde Anwendung" der Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a. F. (nunmehr § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG) vermieden werden.[15] Überdies lässt sich der Entstehungsgeschichte der FVerlV zum einen entnehmen, dass dem Verordnungsgeber die Unterscheidung zwischen einer kompletten Funktionsverlagerung und einer teilweisen...

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