Leitsatz

Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wird personenbezogen gewährt; er steht dem Steuerpflichtigen für alle Gewinneinkunftsarten nur einmal zu.

 

Normenkette

§ 16 Abs. 4 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Arzt und war an einer Praxisgemeinschaft beteiligt. Aus dieser Beteiligung erzielte er 1997 einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 50 000 DM. Obwohl er dies nicht beantragt hatte und er auch noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatte, wurde ihm der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG gewährt. Die Veranlagung 1997 wurde bestandskräftig.

Für einen im Jahr 2003 erzielten Veräußerungsgewinn aus einer gewerblichen Beteiligung beantragte der Kläger erneut den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG. Dieses wurde vom FA abgelehnt. Sowohl das Einspruchs- als auch das Klageverfahren blieben erfolglos.

Das FG war der Auffassung, der Freibetrag sei verbraucht, selbst wenn er in der Vergangenheit zu Unrecht angesetzt worden sei und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Zudem sei er personen- und nicht einkunftsbezogen (FG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2008, 8 K 4495/07 E, Haufe-Index 2197543).

 

Entscheidung

Der BFH sah dies ebenso und wies die Revision zurück.

 

Hinweis

"Nur einmal im Leben", das ist kurz zusammengefasst die Antwort, die der BFH auf die Frage gibt, wie häufig der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen werden kann. Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig, so wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur ESt nur herangezogen, soweit er den Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 S. 1 EStG übersteigt. Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren (§ 16 Abs. 4 S. 2 EStG).

1. Der Grundsatz, dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG einem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann, gilt absolut und damit einkünfteübergreifend. Der Freibetrag wird somit für einen Gewerbetreibenden auch verbraucht, wenn er ihn bei der Aufgabe oder Veräußerung seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder einer freiberuflichen Praxis in Anspruch nimmt. Sowohl § 14 S. 2 EStG als auch § 18 Abs. 3 S. 2 EStG beinhalten insoweit keine Rechtsfolgen- sondern eine Rechtsgrundverweisung.

Diese in der Literatur nicht unumstrittene Auffassung begründet der X. Senat mit dem Sinn und Zweck der Neuregelung des § 16 Abs. 4 EStG durch das Jahressteuergesetz 1996, durch das die Gewährung des betriebsbezogenen Freibetrags in einen personenbezogenen Freibetrag umgewandelt wurde. Es sei folgerichtig, § 16 Abs. 4 EStG einkunftsartenübergreifend und damit personenbezogen zu betrachten. § 16 Abs. 4 S. 2 EStG erkenne den Freibetrag "dem Steuerpflichtigen" nur einmal für alle Gewinneinkunftsarten zu. Es führe zu einem sinnwidrigen Ergebnis, einem Steuerpflichtigen, der mehrere gewerbliche betriebliche Einheiten veräußert oder aufgibt, die mehrfache Gewährung des Freibetrags unter Hinweis auf § 16 Abs. 4 S. 2 EStG zu versagen, einem anderen Steuerpflichtigen, dessen verschiedene betriebliche Einheiten aber unterschiedlichen Einkunftsarten zuzuordnen sind, im Veräußerungs- oder Aufgabefall den Freibetrag mehrfach zu gewähren.

2. Für den "Verbrauch" des Freibetrags kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut von § 16 Abs. 4 EStG nicht darauf an, ob der Freibetrag zu Recht gewährt worden ist oder nicht. Entscheidend ist allein, dass sich der Freibetrag auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Insoweit folgt der X. Senat der Rechtsprechung zu der vergleichbaren Problematik bei § 7b und § 10e EStG (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 08.03.1994, IX R 12/90, BFH/NV 1994, 785).

Soll der Freibetrag erst für einen späteren Veräußerungsgewinn in Anspruch genommen werden, muss der Steuerpflichtige die fehlerhafte Steuerfestsetzung anfechten, in dem ihm die Steuervergünstigung trotz Fehlens eines entsprechenden Antrags (bzw. weiterer gesetzlicher Voraussetzungen) gewährt wurde.

Nach Treu und Glauben kann sich ein Steuerpflichtiger den Verbrauch des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG allenfalls dann nicht entgegenhalten lassen müssen, wenn für ihn angesichts der geringen Höhe des Freibetrags und des fehlenden Hinweises in den Erläuterungen nicht erkennbar gewesen wäre, dass das FA den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG ohne Antrag angesetzt hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.07.2009 – X R 2/09

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