Rz. 31

Werden Großobjekte (z. B. Bau von Großanlagen) erst nach mehreren Jahren fertiggestellt, so werden in den Jahren der Herstellung nur die Herstellungskosten aktiviert. Werden zudem Fertigungsgemeinkosten in Ausübung eines Aktivierungswahlrechts nicht als Herstellungskosten aktiviert, so werden diese als Aufwendungen behandelt. In den Jahren, in denen das Projekt noch nicht fertiggestellt und abgenommen ist, fallen so erhebliche Aufwendungen an, die nur zum Teil als Herstellungskosten aktiviert werden.

Im Jahr der Fertigstellung bzw. Abnahme wird die Forderung ausgewiesen und damit der Gewinn voll realisiert, obwohl er in allen Jahren der Herstellung "verdient" worden ist. Bei strenger Anwendung des handelsrechtlichen Realisationsprinzips tritt so eine Erfolgsverzögerung ein.[1]

 
Praxis-Beispiel

Eine Baufirma übernahm ein Los für eine Autobahnstrecke von 50 km. Mit diesem Großauftrag ist sie nahezu voll ausgelastet. Ende des 1. Geschäftsjahres sind 15 km Autobahn fertiggestellt. Die Abwicklung des gesamten Projekts wird etwa 3 Jahre dauern.

 

Rz. 32

Nach der Rechtsprechung des BFH soll eine Verteilung von Teilgewinnen auf die einzelnen Jahre der Fertigung im Hinblick auf das Realisationsprinzip nur dann zulässig sein, wenn endgültige Teilabrechnungen erstellt werden oder abgrenzbare und bereits abgenommene Teilbauten hergestellt worden sind. Voraussetzung ist allerdings der rechtliche und wirtschaftliche Übergang der Vermögensgegenstände, darüber hinaus darf es sich um keine Verlustprojekte handeln.[2]

 

Rz. 33

Zwar sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.[3] Hiervon darf aber in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden.[4] Ein begründeter Ausnahmefall wird teilweise bei langfristiger Fertigung angenommen. Als generelle Voraussetzung wird angesehen, dass die langfristige Auftragsfertigung einen wesentlichen Teil der Unternehmenstätigkeit ausmacht und dass ohne eine anteilige Gewinnvereinnahmung der Jahresabschluss ein unzutreffendes Bild von der Ertragslage des Unternehmens vermitteln würde, vgl. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB.[5]

Eine Teilgewinnrealisierung in den einzelnen Jahren der Fertigstellung soll aber in der Handelsbilanz nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig sein, die sämtlich erfüllt sein müssen:[6]

  1. Es muss sich um eine langfristige Fertigung handeln, d. h., der Fertigungsprozess muss sich über die Dauer eines Geschäftsjahres hinaus hinziehen.
  2. Langfristige Fertigungen müssen einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Unternehmens bilden.
  3. Eine Abrechnung des Auftrags erst nach Abschluss der langfristigen Fertigung würde zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Einblicks in die Ertragslage des Unternehmens führen.
  4. Der aus der langfristigen Fertigung erwartete Gewinn muss sicher zu ermitteln sein (Vorkalkulationen, laufende Kostenrechnung mit Soll-Ist-Vergleich) und es dürfen keine Risiken ersichtlich sein, die das erwartete Ergebnis wesentlich beeinträchtigen können.
  5. Für unvorhersehbare Garantieleistungen und Nachbesserungen müssen vorsichtig bemessene Beträge berücksichtigt sein.
  6. Die Gesamtleistung muss in kalkulatorisch abgrenzbare Teilleistungen zerlegt werden können.
  7. Es darf allenfalls der auf diese Teilleistungen anteilmäßig entfallende Gewinn vereinnahmt werden.
  8. Schließen Teilleistungen gegenüber den Vorkalkulationen mit wesentlich höheren Istkosten ab, so dürfen anteilige Gewinne nicht vereinnahmt werden, soweit nicht davon ausgegangen werden kann, dass die noch anfallenden Kosten hinreichende Deckung im Erlös finden.
  9. Es dürfen keine Anzeichen dafür vorliegen, dass der Abnehmer Einwendungen erheben kann, die sich negativ auf das Gesamtergebnis auswirken können.
 

Rz. 34

Für Teilgewinnrealisierungen besteht ein Bewertungswahlrecht. Da eine Teilgewinnrealisierung eine Ausnahme vom Realisationsprinzip darstellt, lässt sich aus dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit nicht folgern, dass diese Methode, einmal angewandt, auch künftig beibehalten werden müsste.[7] Wegen der Unsicherheit der Rechtslage ist zu empfehlen, bei Großobjekten die Leistungen in den einzelnen Jahren genau abzugrenzen, aufzunehmen, vom Besteller abnehmen zu lassen und abzurechnen (Teilabnahmen/Teilabrechnungen). Wird das nicht beachtet, werden erheblich schwankende Geschäftserfolge ausgewiesen. Dann können Bankkredite gefährdet oder zumindest verteuert werden. Hinzu können Progressionsnachteile bei der Ertragsbesteuerung kommen.[8]
Zu Einzelheiten der Behandlung von Fertigungsaufträgen in der deutschen und internationalen Rechnungslegung s. "Fertigungsaufträge nach HGB und IFRS".

[1] Nach IFRS ist nach IAS 11 unter bestimmten Umständen eine Teilgewinnrealisierung nach den Grundsätzen "percentage of completion" möglich.
[5] ADS, 6. Aufl., § 252 HGB Rz. 86 ff.; restriktiv IDW, ...

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