Leitsatz

1. Die Anordnung einer förmlichen Zustellung nach § 122 Abs. 5 AO 1977 stellt mangels eigenen Regelungsinhalts keinen Verwaltungsakt dar.

2. Die Finanzbehörde ist daher nicht verpflichtet, die tragenden Erwägungen ihrer Ermessensentscheidung über die Art der Zustellung schriftlich in besonderer Form in den Steuerakten niederzulegen. Es genügt insoweit, dass ihr Wille, den betreffenden Verwaltungsakt durch förmliche Zustellung zu übermitteln, in anderer Weise aus dem Akteninhalt deutlich wird.

3. Es liegt eine zwingende Verletzung der Vorschriften über die förmliche Zustellung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG vor, wenn die zuzustellende Sendung nicht mit einer ausreichenden, den Inhalt der Sendung einwandfrei identifizierenden Geschäftsnummer versehen ist. Es genügt insoweit nicht, wenn die Postzustellungsurkunde und/oder die Sendung als „Geschäftsnummer” lediglich die Steuernummer ausweist.

 

Normenkette

AO 1977 § 121 Abs. 1, , AO 1977 § 122 Abs. 5, , AO 1977 § 124 Abs. 1 Satz 1, , AO 1977 § 157, , AO 1977 § 162 , VwZG § 3 Abs. 1 Satz 2, , VwZG § 3 Abs. 3, , VwZG § 9 Abs. 1 , ZPO § 195 Abs. 2 , FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2, , FGO § 143 Abs. 2

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.03.2000, III R 19/99

Anmerkung

Das FA hatte gegen den Kläger Schätzungsbescheide über ESt 1993 und 1994 sowie USt 1994 erlassen. Die Bescheide wurden dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde (PZU) am 25.8.1995 durch Niederlegung bei der Post zugestellt. Die hiergegen gerichteten Einsprüche, die am 28.9.1995 beim FG eingingen, wurden vom FA wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG vertrat die Ansicht, dassdie angefochtenen Bescheide wegen verfahrensrechtlicher Verstöße gegen die Bekanntgabevorschrift des § 122 Abs. 5 AO rechtswidrig und deshalb gem. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO nicht wirksam bekannt gegeben seien. Die vom FA für die Bekanntgabe gewählte förmliche Zustellung sei außer in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen gemäß § 122 Abs. 5 AO nur zulässig, wenn sie behördlich angeordnet seien. An einer solchen Anordnung fehle es im Streitfall.

Der BFH geht davon aus, dass die förmliche Zustellung außer in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen nach dem Ermessen der Finanzbehörden auch in anderen Fällen – z.B. bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen – angeordnet werden könne. Die Wahl der Zustellungsart sei eine verwaltungsinterne Ermessensentscheidung, die keiner ausdrücklichen schriftlichen Begründung bedürfe. Der Wille des FA, Bescheide durch förmliche Zustellung zu übermitteln, werde durch das Ausfüllen der PZU ausreichend dokumentiert.

Die Ausführung der förmlichen Zustellung ( § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG ) im Streitfall sieht der BFH allerdings als unzureichend an. Nach Auffassung des BFH liegt eine zwingende Verletzung des § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG darin, daß die zuzustellende Sendung – hier der die Bescheide enthaltende Umschlag – nicht mit einer ausreichenden, den Inhalt der Sendung einwandfrei identifizierenden Gechäftsnummer versehen war. Die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung und in der PZU stelle die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her. Insoweit genüge es für eine wirksame Zustellung nach § 3 VwZG nicht, wenn die PZU und/oder die Sendung (d.h. der Briefumschlag) als Geschäftsnummer lediglich die Steuernummer ausweisen. Ein Verstoß gegen die zwingende Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG mache die förmliche Zustellung unwirksam.

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