Der Finanzierung aus Abschreibungen liegt die Überlegung zugrunde, dass Abschreibungsgegenwerte über die Umsatzerlöse in das Unternehmen zurückfließen (siehe auch Stichwort Finanzierung aus Abschreibungen). Die Umsatzerlöse enthalten u. a. die Gegenwerte verrechneter Abschreibungen. Da Abschreibungen einen rein buchhalterischen Vorgang darstellen, ist die Bildung von Abschreibungen nicht mit Auszahlungen verbunden. Der erfolgswirksame Ansatz von Abschreibungen verhindert somit einen Liquiditätsabfluss, wodurch die zugeflossenen liquiden Mittel zunächst für andere Zwecke, d. h. also außerhalb der Finanzierung einer Ersatzbeschaffung, zur Verfügung stehen.

Die abnutzbaren Vermögensgegenstände eines Unternehmens verlieren durch ihren Gebrauch über die Jahre hinweg an Wert. Dem Rechnungswesen eines Unternehmens kommt die Aufgabe zu, das betriebliche Geschehen möglichst realitätsnah abzubilden. Aus diesem Grund werden für den Wertverlust abnutzbarer Wirtschaftsgüter Abschreibungen angesetzt. Die Abschreibungen finden dabei auf zweifache Weise im betrieblichen Rechnungswesen Berücksichtigung. Zum einen werden kalkulatorische Abschreibungen in der Kostenrechnung erfasst und zum anderen gehen bilanzielle Abschreibungen in die Finanzbuchhaltung ein.

Die kalkulatorischen Abschreibungen sollen sicherstellen, dass bei Ausscheiden eines Vermögensgegenstandes – z. B. einer Produktionsanlage oder einer Maschine – aus dem Produktionsprozess ein neuer gleichwertiger Gegenstand zu den dann aktuellen Marktpreisen erworben werden kann. Ziel des Ansatzes kalkulatorischer Abschreibungen ist also die Substanzerhaltung. Zu diesem Zweck werden die kalkulatorischen Wertminderungen bei der Ermittlung der Selbstkosten der betrieblichen Erzeugnisse berücksichtigt. Beim Verkauf der Erzeugnisse wird quasi u. a. die Wertminderung der Vermögensgegenstände durch die Kunden vergütet.

Die erzielten Verkaufserlöse stellen in der Finanzbuchhaltung Erträge dar. Diese Erträge müssen – sofern ihnen keine Aufwendungen gegenüberstehen – versteuert und ggf. an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Eine Ersatzbeschaffung wäre damit aus den erwirtschafteten Abschreibungsgegenwerten nicht mehr möglich. Um dies zu verhindern, werden in der Finanzbuchhaltung bilanzielle Abschreibungen verrechnet, die das für die Ausschüttungen und Steuerzahlungen verfügbare Ergebnis reduzieren und die Abschreibungsgegenwerte an das Unternehmen binden.

Der Finanzierungseffekt aus Abschreibungen besteht letztlich darin, dass die Zuflüsse an liquiden Mitteln früher erfolgen als die Zahlungsmittelabflüsse für die Reinvestition. Gleichzeitig wird in der Periode, in der die Umsatzerlöse entstehen, ein Abfließen finanzieller Mittel durch Gewinnausschüttungen oder Steuerzahlungen durch eine Verrechnung von bilanziellen Abschreibungen verhindert. Es kommt also zu einem Zufluss liquider Mittel, dem in derselben Periode kein auszahlungswirksamer Aufwand gegenübersteht.

Damit die Finanzierungswirkung aus den Abschreibungsgegenwerten eintritt, müssen neben der Bildung bilanzieller Abschreibungen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die für die Erzeugnisse erzielten Preise decken die Selbstkosten inklusive der Abschreibungen ab, d. h., die verrechneten Abschreibungen werden über die Umsatzerlöse verdient.
  • Die Abschreibungsgegenwerte fließen dem Unternehmen als Einzahlungen, d. h. in liquider Form, zu.

In der Bilanz zeigt sich die Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten in einem Aktivtausch. Die Höhe des Sachvermögens wird durch die Abschreibungen verringert, das Geldvermögen steigt durch den Zufluss liquider Mittel an. Die Bilanzsumme verändert sich dabei nicht. In der Gewinn- und Verlustrechnung schützen Abschreibungen Teile der Umsatzerlöse vor Ausschüttung und Besteuerung. Die Abschreibungen stehen den Erträgen aus den Umsatzerlösen gegenüber und verringern so im Vergleich zur Situation ohne Verrechnung von Abschreibungen den steuerpflichtigen und ausschüttbaren Gewinn.

Der Finanzierungseffekt aus Abschreibungsgegenwerten kann

  1. als Kapitalfreisetzungseffekt oder
  2. als Kapazitätserweiterungseffekt

interpretiert werden. Hintergrund dieser Differenzierung ist die Frage, ob die über die Abschreibungen freigesetzten Mittel zur Reduzierung des Kapitaleinsatzes oder zum Ausbau der Kapazität eingesetzt werden.

Beim Kapitalfreisetzungseffekt soll die Kapazität konstant gehalten werden und der Finanzierungseffekt zur Reduktion des Kapitaleinsatzes anderer Finanzierungsquellen, wie z. B. Fremdkapitalinstrumenten, genutzt werden. Die Kapitalfreisetzung beruht auf der zeitlichen Diskrepanz zwischen der Verrechnung der Abschreibungen, der Erwirtschaftung der Abschreibungsgegenwerte und der erforderlichen Reinvestition.

Beim Kapazitätserweiterungseffekt, auch Lohmann-Ruchti-Effekt genannt, wird unterstellt, dass die freigesetzten Mittel sofort wieder in identische Objekte investiert werden. Das Ziel ist also nicht die Aufrechterhaltung einer bestimmten Kapazität, vielmehr wird eine Maximierung der Periode...

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