Leitsatz

Übernimmt das Finanzamt bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung falsch übermittelte Lohnsteuerdaten des Arbeitgebers, kann der Steuerbescheid später nach § 129 AO berichtigt werden. Nach Ansicht des FG Münster liegt in diesem Fall eine sog. ähnliche offenbare Unrichtigkeit vor, da der Fehler rein mechanischer Natur ist und die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen werden kann.

 

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer ging im Jahr 2005 4 Arbeitsverhältnissen nach und legte seiner Einkommensteuererklärung deshalb 4 ausgedruckte Lohnsteuerbescheinigungen bei. Die dort ausgewiesenen Beträge trug er zusammengefasst in die Anlage N ein. Der Sachbearbeiter des Finanzamts übernahm die Lohndaten, die vom Arbeitgeber elektronisch an das Finanzamt übermittelt wurden, per Mausklick in sein Berechnungsprogramm und glich die elektronischen Werte offensichtlich nicht mit den Werten in der Steuererklärung ab. Da die vom Arbeitgeber übermittelten Daten fehlerhaft bzw. teilweise überhaupt nicht übermittelt wurden, wies der Steuerbescheid einen zu niedrigen Arbeitslohn und zu niedrige Anrechnungsbeträge (Lohnsteuer, SolZ, Kirchensteuer) aus. Das Finanzamt bemerkte den Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist und korrigierte den Steuerbescheid wegen offenbarer Unrichtigkeiten nach § 129 AO. Der Arbeitnehmer hielt eine Änderung verfahrensrechtlich nicht mehr für möglich.

 

Entscheidung

Das FG urteilte, dass das Finanzamt den Steuerbescheid nach § 129 AO ändern durfte. Zwar ist die Übernahme fehlerhafter Lohnsteuerdaten nicht unter den Fall der Schreib- oder Rechenfehler zu fassen, der von § 129 AO typischerweise erfasst wird, es liegt aber eine sog. ähnliche offenbare Unrichtigkeit vor, die eine Bescheidänderung nach § 129 AO ermöglicht. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind nach der BFH-Rechtsprechung rein mechanische Fehler, bei denen die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen werden kann und die für jeden Dritten offensichtlich zu Tage treten.

Jeder verständige Dritte hätte bei einem Blick in die Steuererklärung erkannt, dass die übernommenen Daten fehlerhaft waren. Der Sachbearbeiter hatte die Daten ungeprüft übernommen, indem er sie einfach als Berechnungswert beistellte. Ein Rechtsirrtum, der einer Änderung nach § 129 AO entgegenstehen könnte, scheidet daher aus.

 

Hinweis

Arbeitgeber mit maschineller Lohnabrechnung sind nach § 41b EStG verpflichtet, die Lohnsteuerbescheinigungen ihrer Arbeitnehmer elektronisch an die Finanzämter zu übermitteln. Renten werden über eine sog. Rentenbezugsmitteilungen (§ 22a EStG) an die Finanzbehörden gemeldet.

Die elektronischen Übermittlungspflichten führen dazu, dass sich der Sachbearbeiter im Finanzamt mehr und mehr aus dem finanzamtseigenen Datenpool bedienen kann, anstatt die Werte aus der Steuererklärung zu übernehmen. Dieses "Baukastenprinzip" beschleunigt zwar die Bearbeitung, begünstigt aber auch solche Übernahmefehler wie im Urteilsfall.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 24.02.2011, 11 K 4239/07 E

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