Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit von Zahlungen der NATO für Tätigkeit bei der ISAF in Afghanistan

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlungen der NATO, die ein im Inland unbeschränkt Steuerpflichtiger für seine Tätigkeit bei der ISAF (International Security Assistance Force) in Afghanistan erhält, unterliegen in vollem Umfang der inländischen Steuerpflicht.

 

Normenkette

AO § 8; EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 19; NATO-TSt § 1 Abs. 1 S. 1 Buchst. a; NATO-TSt § 1 Avs. 1 S. 1 Buchst. b; Ottawa-Übereinkommen Artikel 2; Ottawa-Übereinkommen Artikel 9; Ottawa-Übereinkommen Artikel 17; Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen Military Technical Agreement (Afghanistan) Artikel V Abschn. 18 lit. b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.10.2021; Aktenzeichen I R 43/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit bei der Internationalen Sicherungsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, kurz ISAF) der Besteuerung unterwerfen durfte.

Die Kläger wohnen in A und werden gemäß §§ 26, 26 b EStG veranlagt. Der Kläger (geb. 1953) war Soldat im Dienst der Bundeswehr. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war er ab 2009 bis 2013 als International Civilian Consultant (ICC) bei der ISAF tätig. Sein Gehalt für diese Tätigkeit zahlte die NATO und wurde zunächst – in den Einkommensteuerbescheiden für 2009, 2010 und 2011 – erklärungsgemäß nicht der Besteuerung unterworfen, d.h. nur seine Versorgungsbezüge wurden als Arbeitslohn erfasst.

Auch in den Einkommensteuererklärungen für 2012 und 2013 gaben die Kläger bzw. ihr Prozessbevollmächtigter an, dass das von der NATO gezahlte Gehalt „ausländische Einkünfte ohne Progressionsvorbehalt“ darstellen würde.

Auf den Hinweis des Beklagten, dass das von der NATO gezahlte Gehalt nicht steuerfrei sei, legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger ein Schreiben des Finanzamtes … an Herrn M vor, mit dem Hinweis, dass es sich dabei um einen Kollegen des Klägers gehandelt habe. In diesem Schreiben wird Folgendes ausgeführt:

Wegen der steuerlichen Behandlung von Gehaltszahlungen durch die ISAF in Afghanistan sei die vorgesetzte Behörde gehört worden. In Abstimmung mit dem Ministerium der Finanzen werde nunmehr mitgeteilt, dass die Gehaltszahlungen gemäß Art. 19 des Übereinkommens über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom 20. September 1951 (BGBl. 1958 II Seite 117 ff.) ohne Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen seien. Sollten die Zahlungen der Bezüge tatsächlich aus Afghanistan erfolgen, könne dies keine Rolle spielen, da die Entlohnung von der NATO erfolge.

Der Beklagte erwiderte, bei der ISAF handle es sich um eine vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mandatierte Schutztruppe in Afghanistan, die unter NATO-Führung stehe. Zwischen der NATO und der Regierung Afghanistans sei ein sog. "Military Technical Agreement" (MTA) abgeschlossen worden. Dieses MTA regle den Status und die Rechte der ISAF-Truppen in Afghanistan. Dort sei geregelt, dass die Mitglieder der Truppe hinsichtlich ihrer Bezüge von allen Abgaben in Afghanistan befreit seien. Das MTA entfalte im Verhältnis zu Deutschland jedoch keine rechtliche Wirkung. Das Gehalt der ISAF- Bediensteten unterliege daher gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der deutschen Einkommensteuer. Nach Berechnung des Beklagten betrage das im Jahr 2012 von der ISAF bezogene Jahres-Bruttogehalt insgesamt 66.588 €. Um Bestätigung dieses Betrages bzw. um entsprechende Korrektur werde gebeten.

Der Prozessbevollmächtigte erwiderte, die NATO habe durch UN-Mandat die Verantwortung für Führung, Planung und Unterstützung der ISAF übernommen. Die Führung der ISAF werde jeweils durch ein Hauptquartier der NATO sichergestellt. Die ausländischen Einkünfte des Klägers seien daher durch das NATO-Truppenstatut bzw. das Ottawa-Übereinkommen geschützt und müssten gänzlich steuerfrei bleiben.

Mit Telefax vom 2. Oktober 2013 übersandte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Kläger einen Ausdruck der Verfügung der Oberfinanzdirektion zur steuerlichen Behandlung des von der NATO gezahlten Gehalts für den Einsatz in der ISAF vom 25. Juli 2011 und setzte die Einkommensteuer für 2012 mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 und für 2013 mit Bescheid vom 4. Mai 2015 unter Einbeziehung der ausländischen Einkünfte fest (für 2012 wie vom Beklagten angekündigt 66.588 € und für 2013 wie von den Klägern erklärt 41.172 €).

Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, die Problematik der steuerlichen Einordnung der Bezüge sei seinerzeit beim Ministerium der Finanzen geklärt worden. Es bestehe kein Grund, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen.

Von September 2014 bis Juli 2016 ruhte das Einspruchsverfahren, und zwar im Hinblick auf die Revision des Herrn M gegen das seine Klage abweisende Urteil des Finanzg...

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