Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen in Altfällen aus Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (amtlich)

Die gesetzliche Neuregelung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen (§ 3a EStG) rechtfertigt es nicht, in Altfällen Sanierungsgewinne im Wege des Erlasses steuerfrei zu stellen.

 

Normenkette

EStG §§ 3a, 52 Abs. 4a S. 3; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 163 Abs. 1, § 227

 

Tatbestand

Die Kläger begehren einen Erlass nach § 227 AO.

Die Kläger waren im Streitjahr 2011 zu jeweils 50 % an einer KG beteiligt. Mit Schreiben vom 4. März 2013 beantragten sie für einen Teilbetrag der Einkommensteuer 2011 den Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit nach dem sog. Sanierungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240), weil die Bank einen Forderungsverzicht in Höhe von 500.000 € ausgesprochen habe.

Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 28. März 2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. Februar 2015 wurde bestandskräftig.

Der Erlassantrag wurde mit Bescheid vom 2. Juli 2014 abgelehnt, weil die Voraussetzungen des Sanierungserlasses nicht vorlägen. Dagegen legten die Kläger am 1. August 2014 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2020 ebenfalls mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass die Voraussetzungen des Sanierungserlasses nicht vorlägen. In den Gründen wurde darauf hingewiesen, dass der GroßeSenat des BFH mit Beschluss vom 28. November 2016 (GrS 1/15 , BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393) zwar entschieden habe, dass der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoße. Am 27. April 2017 habe das BMF allerdings eine Altfallregelung getroffen (Schuldenerlass bis 8. Februar 2017). Diese Altfallregelung verstoße zwar nach Auffassung des BFH (Urteile vom 23. August 2017 I R 52/14 und X R 38/15)ebenfalls gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Das BMF habe im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder mit Schreiben vom 29. März 2018 allerdings angeordnet, dass die BFH-Urteile vom 23. August 2017 nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden seien.

Am 24. Juli 2020 haben die Kläger Klage erhoben.

Auf den Hinweis des Gerichts (Schriftsatz vom 22. Oktober 2020, Blatt 45 f. der Gerichtsakte), dass auch der Nichtanwendungserlass des BMF vom 29. März 2018 gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoße, führten die Prozessbevollmächtigten aus, der Gesetzgeber habe auf die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28. November 2016 umgehend reagiert und habe die Regelung des § 3a EStG eingeführt. Zwar gelte die Steuerbefreiung nach § 3a EStG für einen Schuldenerlass nach dem 8. Februar 2017, jedoch sei diese Regelung auf Antrag eines Steuerpflichtigen und nach Maßgabe des § 52 Absatz 4a Satz 3 EStG auch in den sogenannten Altfällen anzuwenden. Es möge daher zwar zutreffen, dass der Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung vom 29. März 2018 von den Gerichten nicht zu beachten sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch die vorgenannte gesetzliche Regelung des § 3a EStG einschlägig, die als Folge des Beschlusses des Großen Senates vom 28. November 2016 geschaffen worden sei.

Das Gericht erwiderte (Schriftsatz vom 26. Januar 2021, Blatt 59 der Gerichtsakte), die Regelungen des sog. Sanierungserlasses und des § 3a EStG würden sich sowohl in systematischer als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht deutlich unterscheiden. § 3a EStG sei eine Steuerbefreiungsvorschrift. Über ihre Anwendung sei bereits im Veranlagungsverfahren zu entscheiden. Soweit sie greife, entstehe die Einkommensteuer erst gar nicht. Dagegen werde über die im sog. Sanierungserlass vorgesehenen Maßnahmen der Stundung und des Erlasses in einem eigenständigen Billigkeitsverfahren entschieden. Daher könne in Billigkeitsverfahren kein Antrag auf Anwendung des § 3a EStG gestellt werden (Verweis auf Seer in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 3a EStG, Rn. 6a; Levedag in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 39. Aufl. 2020, § 3a EStG, Rn. 4). Vor diesem Hintergrund empfahl das Gericht, die Klage zurückzunehmen.

Die Prozessbevollmächtigten teilten mit Schriftsatz vom 15. März 2021 nach Rücksprache mit den Klägern mit, dass diese nicht bereit seien, die Klage zurückzunehmen.

Die Kläger beantragen sinngemäß (Blatt 36 PA),

den Bescheid des Beklagten vom 2. Juli 2014 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den auf die Erträge aus dem Forderungsverzicht entfallenden Teilbetrag an Einkommensteuer nach § 227 AO i.V.m.§ 163 Abs. 1 Satz 1 AO wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Blatt 71 und 74 der Gerichtsakte).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die der Senat gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 2. J...

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