Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Steuerbefreiung für Umsätze eines ambulanten Pflegedienstes

 

Leitsatz (amtlich)

Die nationale Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ist von Art. 13 Abschn. A Abs. 1 Buchst. g Richtlinie 77/388/EWG gedeckt.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 16 Buchst. e; EWGRL 388/77 Art. 13 Abschn. A Abs. 1 Buchst. g

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.01.2008; Aktenzeichen V R 54/06)

 

Tatbestand

Strittig ist die Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen eines Pflegedienstes.

Der Kläger betreibt einen privaten ambulanten Pflegedienst, den er bei der Stadt M. mit Gewerbeanmeldung vom 7. August 2000 zum 22. Juli 2000 angemeldet hatte (Blatt 26 der Gewerbesteuerakte). Mit Schreiben vom 27. September 2001 schlossen der Kläger und die Landesverbände der Pflegekassen in Rheinland-Pfalz gem. §§ 132a SGB V, 72 SGB XI einen Versorgungsvertrag ab, der den Kläger zur direkten Abrechnung seiner ambulanten Pflegeleistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung auf Grundlage der Vergütungsregelungen nach § 89 SGB XI mit der zuständigen Pflegekasse berechtigte (Blatt 77 bis 79 der Umsatzsteuerakte "Vorauszahlungen"). Mit Gewerbeabmeldung vom 19. August 2002 meldete der Kläger die Betriebsaufgabe zum 30. September 2001 bei der Stadt M. und behauptete, zugleich einen neuen Betrieb für Pflegeleistungen unter der bisherigen Firma angemeldet zu haben (Blatt 37 der Prozessakte).

Ab diesem Zeitpunkt, nämlich ab dem 01. Oktober 2001, reichte er für die folgenden Voranmeldungszeiträume Umsatzsteuer-Voranmeldungen beim Beklagten ein, die keine steuerpflichtigen Umsätze mehr auswiesen, da der Kläger der Auffassung war, seine Umsätze seien ab dem Oktober 2001 gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG umsatzsteuerfrei. In der Erläuterung zur Gewinnermittlung für das Jahr 2001 teilte der Kläger mit, seit dem 01. Oktober 2001 sei sein Pflegedienst nicht mehr als Gewerbebetrieb, sondern als freiberufliche Tätigkeit zu werten. Das Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs sei zu Buchwerten von dem freiberuflichen Folgebetrieb übernommen worden. Eine Betriebsaufgabe läge nicht vor. Ab dem 01. Oktober 2001 seien die Umsätze aus dem Pflegebetrieb als steuerfrei behandelt und die Vorsteuer aus Eingangsumsätzen nicht mehr abgezogen worden. Die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit und einer Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG beruhe auf dem Umstand, dass "ab dem 01. Januar 2001 der Kläger zur Krankenkasse zugelassen sei und ab dem 01.10.2003 -richtig 2001- mehr als 40 % der Pflegekosten von sozialen öffentlichen Trägern getragen worden seien" (Bl. 46 der Bilanz-Akte).

Daraufhin fand im Juli 2002 beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt, deren Ergebnisse in dem Prüfungsbericht vom 12. Dezember 2002 festgehalten sind (Blatt 7 bis 19 der Umsatzsteuerakte). Der Prüfer war der Auffassung, dass die Umsätze des Klägers bis einschließlich Dezember 2002 dem Regelsteuersatz unterliegen würden (Tz. 2 des Prüfungsberichts, Blatt 10 der Umsatzsteuerakte).

In Auswertung des Prüfungsberichts schloss sich der Beklagte der Auffassung des Umsatzsteuer-Sonderprüfers an und erließ entsprechende Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide, die zwischenzeitlich durch die Umsatzsteuerbescheide für 2001 vom 3. Juni 2004 und für 2002 vom 15. Oktober 2004 ersetzt wurden.

Der gegen den Umsatzsteuerbescheid 2002 eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Der Kläger trägt vor, für die Abrechnung mit den Pflegekassen hätte er einen völlig neuen Betrieb eröffnet, da der Betrieb, der ab dem 1. Oktober 2001 die Erlaubnis erhalten hätte, die Pflegekosten direkt mit den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung abzurechnen, von dem vorhergehenden Betrieb, dem diese Befugnis gefehlt hätte, zu unterscheiden sei. Dies sei konsequent und logisch, da sich nur für einen Pflegedienst, welcher überhaupt zur direkten Abrechnung mit den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung berechtigt sei, die Frage des Überschreitens der 40%-Grenze für die Umsatzsteuerbefreiung stellen würde. Im Jahr 2002 hätte er die Pflegeleistungen nahezu ausschließlich an gesetzliche versicherte Pflegebedürftige erbracht.

Die Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG sei aus ihrem Zusammenhang und nach ihrem Zweck auszulegen. Mit der Befreiung von der Umsatzsteuer sollten die Haushalte der Sozialversicherungsträger von den Kosten der Umsatzsteuer befreit werden. Die Träger der Sozialversicherung würden deswegen auch keine Leistungen ambulanter Pflegedienste begleichen, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen sei. Daher müsse die Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG dahingehend ausgelegt werden, dass die Steuerbefreiung nach den voraussichtlichen Verhältnissen ab dem Zeitpunkt der Zulassung eines Betriebes zur direkten Abrechnung mit den Trägern der Sozialversicherung zu beurteilen sei. Vor dem Zeitpunkt der Zulassung der direkten Abrechnung der Pflegeleistungen mit den Trägern der Sozialversicherung hätte für einen Betrieb gar nicht die Möglichkeit bestanden, eine Aufteilung bzw. Trennung der Umsätze gegenüber Privatkun...

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