Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässiger Regelungsumfang einer tatsächlichen Verständigung - hier: Verzicht des Finanzamtes auf Festsetzung von Hinterziehungszinsen

 

Leitsatz (amtlich)

Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung kann weder schriftlich noch mündlich der Verzicht des Finanzamtes auf Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein.

 

Normenkette

AO §§ 204-206, 235, 239 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in Höhe von 9.782,00 €.

Der Kläger betreibt seit dem Jahr 1995 in Speyer einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Das Unternehmen war Gegenstand einer Steuerfahndungsprüfung, deren Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht vom 12. April 2013 festgehalten worden sind. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2009 Steuern hinterzogen hat.

Am 25. Oktober 2013 kam es zwischen den Beteiligten zu folgender „tatsächlicher Verständigung“:

Zwischen

Herrn T (der Kläger)

wohnhaft in …

steuerlich geführt beim Finanzamt Germersheim-Speyer unter der Steuernummer ….

vertreten durch

Herrn Rechtsanwalt M

und dem

Finanzamt …, vertreten durch Herrn ORR S (Sachgebietsleiter Veranlagung) als entscheidungsbefugten Beamten

wird unter Beteiligung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts ... - Steuerfahndungsprüfer RR M –

auf der Grundlage der BFH-Urteile vom 11.12.84 VIII R 131/76 (BStBl. 1985 II S. 354), vom 05.10.90 III R 19/88 (BStBl. 1991 II S. 45), vom 06.02.91 I R 13/86 (BStBl.. 1991 II S. 673) und vom 31.07.1996, XI R 78/95 (BStBl. 1996 II S. 625) eine Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen getroffen, die trotz Bemühens um Aufklärung nicht sicher festgestellt werden können (Hinweis auf § 162 der AbgabenordnungAO -).

Diese Verständigung führt nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis und stellt kein Geständnis im strafrechtlichen Sinn dar.

Für das weitere Verfahren gehen die Beteiligten von folgendem Sachverhalt aus:

Herr T betreibt in PLZ S, S-Str. einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen; im Rahmen dieses Betriebes vermittelt er auch Fahrzeugtransporte.

Bereits bei einer für die Jahre 2005 – 2007 begonnenen Betriebsprüfung wurden sowohl Differenzen beim privaten Geldverkehr als auch ungeklärte Geldeinlagen in dem Betrieb festgestellt.

Durch die Steuerfahndungsprüfung wurden bisher unverbuchte Geschäftsvorfälle sowie Geldzugänge und Geldbestände ermittelt, bei denen Inhaberschaft und Mittelherkunft nicht endgültig aufgeklärt werden können; insbesondere ist eine abschließende Klärung der nur fragmentarisch bekannten, im Ausland (Libanon) verwirklichten Sachverhalte nicht möglich. Die Besteuerungsgrundlagen müssen daher durch Vornahme ergänzender Schätzungen ermittelt werden.

Dazu besteht Einvernehmen über den Ansatz der folgenden Besteuerungsgrundlagen:

2004

2005

2006

Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Erklärung/ursprünglicher Veranlagung

68.105

66.138

70.506

Zuschätzungsbetrag

105.000

105.000

105.000

Anzusetzender Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Verständigung

173.105

171.138

175.506

2007

2008

2009

Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Erklärung/ursprünglicher Veranlagung

72.296

66.237

63.379

Zuschätzungsbetrag

105.000

105.000

100.000

Anzusetzender Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Verständigung

177.296

171.237

163.379

Speyer, 25.08.2013

gez.: T – Steuerpflichtiger –

gez.: S – Sachgebietsleiter Vlg. –

gez.: M – Rechtsanwalt

gez.: M –Steuerfahndungsbeamter –

Im Anschluss an die vorgenannte tatsächliche Verständigung ergingen entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, die in der Folge bestandskräftig wurden.

Säumniszuschläge wegen verspäteter Zahlung der Einkommensteuer wurden nach Tilgung der Hauptschuld erlassen. Dies war dem Kläger am Rande der Besprechung vom 23.10.2013 für den Fall in Aussicht gestellt worden, dass die Hauptschulden getilgt werden.

Mit Bescheid vom 02.04.2015 setzte der Beklagte Hinterziehungszinsen unter Hinweis auf §§ 235, 238 und 239 der Abgabenordnung (AO für die Einkommensteuer 2004 – 2009 und den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2004 – 2009 in Höhe von insgesamt 9.782 € fest. Hierbei waren die festgesetzten Nachzahlungszinsen nach § 233 a AO zutreffend angerechnet worden. Über das rechnerische Ergebnis besteht Einvernehmen.

Mit Schreiben vom 04.05.2016 legte der Kläger gegen den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen Einspruch ein. Nach seiner Auffassung war im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ein Zahlungsbetrag festgelegt worden, der alle Nebenleistungen – incl. Hinterziehungszinsen – beinhalten sollte.

Die Bediensteten der Finanzverwaltung, die an der Besprechung über die beabsichtigte Verständigung teilgenommen hatten, erklärten übereinstimmend, dass ein Verzicht auf eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht ausgesprochen wurde und dass ein solcher Verzicht seitens der Finanzverwaltung auch nicht beabsichtigt war. Die Finanzverwaltung habe auch nicht den Eindruck erwecken wollen, dass sie von Hinterziehungszinsen absehen wolle.

Mit der Einspruchsentscheidung vom ...

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