Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbare Eigenbelastung bei Krankheitskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Krankheitskosten sind bei der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung jedenfalls dann um die zumutbare Eigenbelastung zu kürzen, wenn es sich um nicht existenziell notwendige Aufwendungen (z.B. Chefarztbehandlung, Zweibettzimmer) handelt. Insoweit sind die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen nicht übertragbar auf als außergewöhnliche Belastung geltend gemachte Krankheitskosten.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.09.2015; Aktenzeichen VI R 32/13)

 

Tatbestand

Streitig ist der Ansatz einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Krankheitskosten.

Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr (2008) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2008 machten die Kläger Krankheitskosten in Höhe von 1.098 € als außergewöhnliche Belastung geltend.

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03. Mai 2010 sah der Beklagte die Krankheitskosten ohne weitere Prüfung dem Grunde nach als abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung in Höhe von 38.787 €, nämlich 6 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte von 646.456 €, ergab sich jedoch kein Abzug als außergewöhnliche Belastung.

Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2010 aus, dass aufgrund des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG- nur der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteige, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden könne. Die Höhe der zumutbaren Belastung betrage gemäß § 33 Abs. 3 EStG im Falle der Kläger 6 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte. Damit müsse der Steuerpflichtige entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit einen Teil der Belastung selbst tragen. Dies sei verfassungsgemäß, soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 X R 61/01, BStBl. II 2008, 16/22, m.w.N.; Schmidt/Loschelder EStG, 29. Auflage 2010, § 33 Rz 31). Der gegenteiligen, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden und in der vorgenannten Fundstelle (Schmidt/Loschelder EStG, 29. Auflage 2010, § 33 Rz 31) erwähnten Auffassung (Paus, DStZ 2006, 373; Kosfeld FR 2009, 366) könne der Beklagte nicht folgen. Er sei als Organ der Exekutive nach dem Prinzip der Gewaltenteilung an die Gesetze gehalten (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz).

Hiergegen richtet sich die Klage. Die geltend gemachten Aufwendungen wurden im Klageverfahren auf 1.249,07 € erhöht. Es handelt sich um folgende als Krankheitskosten geltend gemachte Aufwendungen:

Dres. K., Zahnärzte, Airflow Zahnreinigung

bzw. Zahnreinigung mit Ultrasonic-Scaler

237,80 €

Zuzahlungen gem. § 28 Abs. 4 SGB V

50,00 €

MVZ Laboratoriumsmedizin X

17,49 €

M.d./Univ. A.R. K.

150,69 €

Klinikum M (Zweibettzimmerzuschlag)

250,25 €

Klinikum M

289,26 €

Klinikum Y

102,52 €

Zuzahlung für den stationären Krankenhausaufenthalt

60,00 €

Aufwendungen für Medikamente

91,06 €

(davon 15,-- € für Medikamentenzuzahlungen)

Gesamt

1.249,07 €

Sämtliche Kosten, die vorliegend nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen worden seien, seien zwangsläufig entstanden, da sich die Kläger diesen aus tatsächlichen Gründen nicht hätten entziehen können. Bei Krankheitskosten sei stets zu unterstellen, dass die Kosten zwangläufig entstanden seien. Einer nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit im Einzelfall bedürfe es hier nicht (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1. April 2005 III R 45/03, BStBl. II 2005, 602). Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- zur zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG, wonach eine zumutbare Belastung verfassungsgemäß sei, solange dem Steuerpflichtigen insgesamt ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege, sei seit dem Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) zum Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen nicht mehr auf den Bereich der außergewöhnlichen Belastungen in der Kranken- und Pflegeversorgung übertragbar. Das BVerfG habe im Beschluss vom 13. Februar 2008 für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung dem subjektiven Nettoprinzip über Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG- i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG unmittelbaren Verfassungsrang eingeräumt, der es erfordere, dass der hierfür aufgebrachte Teil des Einkommens von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollständig auszunehmen sei. Das sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum müsse einem Steuerpflichtigen nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben, sondern sei bereits im Rahmen der steuerlichen Bemessungsgrundlage vollständig auszunehmen. Dies werde vom BVerfG aus dem Grundgedanken ...

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