Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung des Ladenlokalgrundstücks nicht notwendig Voraussetzung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG ist nur erforderlich, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Daher reicht es aus, wenn die gesamte Ladeneinrichtung und alle Warenbestände übertragen werden, nicht jedoch das Grundstück des Ladenlokals, welches fortan vermietet wird.

2) Entgegen der Auffassung des FG BW v. 28.9.2004 - 10 K 59/02, EFG 2004, 1833, kann der Dauer eines abgeschlossenen Mietvertrags im Rahmen der Gesamtwürdigung keine Bedeutung dergestalt zukommen, dass allein das Fehlen der Langfristigkeit des Mietvertrags eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ausschließt. Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Mietvertrag reicht aus.

 

Normenkette

RL 77/388/EWG Art. 5 Abs. 8; UStG § 1 Abs. 1a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.01.2012; Aktenzeichen XI R 27/08)

BFH (Beschluss vom 14.07.2010; Aktenzeichen XI R 27/08)

 

Tatbestand

Streitig ist das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a Umsatzsteuergesetz (UStG).

Die Klägerin (Klin.) betrieb bis zum 30. Juni 1996 in einem in ihrem Eigentum stehenden Ladenlokal in N, A-Straße 5, ein Einzelhandelsgeschäft mit Sportartikeln. Bei dem Ladenlokal, das sie umsatzsteuerfrei erworben hatte, handelte es sich um Teileigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz.

Laut Rechnung vom 29. August 1996 veräußerte die Klin. zum 30. Juni 1996 folgende Gegenstände zu den angegebenen Preisen an die Sport T GmbH:

Warenübernahme lt. Übergabeinventur:

400.000,00 DM

Ladeneinrichtung

55.000,00 DM

455.000,00 DM

In der Rechnung wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen.

Das Ladenlokal vermietete die Klin. an die Sport T GmbH. Über das Mietverhältnis existieren zwei Mietverträge. Laut Mietvertrag vom 31. Mai 1996 soll das Mietverhältnis am 1. Juni 1996 beginnen. Regelungen über eine Kündigungsfrist enthält dieser Vertrag nicht. Der Mietvertrag vom 27. Juli 1996 enthält die Vereinbarung, dass das Mietverhältnis am 1. August 1996 beginnen und auf unbestimmte Zeit laufen soll. Es soll von jeder Partei spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des folgenden Kalendervierteljahres gekündigt werden können (§ 2 des Vertrages).

Das Sportgeschäft wurde von der Sport T GmbH fortgeführt. Zum 31. Mai 1998 gab die Sport T GmbH das Geschäft auf. Die Klin. veräußerte das Ladenlokal durch notariellen Vertrag vom 27. Juli 1999 an ihren Sohn, Herrn VT.

Die Klin. gab die Erlöse aus der Veräußerung des Warenbestands und der Ladeneinrichtung nicht in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr an. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG nicht vorgelegen hätten, weil das Grundstück als wesentliche Geschäftsgrundlage nicht mitveräußert worden sei. Er behandelte die Zahlung in Höhe von 455.000,– DM als Nettoentgelt und berechnete die darauf entfallende Umsatzsteuer mit 68.250,– DM (Tz. 9 des Betriebsprüfungsberichts vom 10. August 2000).

Der Beklagte (Bekl.) setzte mit Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2000 die Umsatzsteuer auf 61.547,– DM und Zinsen nach § 233a Abgabenordnung (AO) auf 11.131,– DM fest.

Die Klin. legte sowohl gegen die geänderte Umsatzsteuerfestsetzung als auch gegen die Zinsfestsetzung Einsprüche ein. Sie begründete ihre Einsprüche damit, dass die Vermietung des Ladenlokals einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht entgegenstehe. Die Zinsfestsetzung sei nicht gerechtfertigt, weil es an einer Steuerersparnis fehle.

Durch Änderungsbescheid vom 24. Juli 2001 minderte der Bekl. die Umsatzsteuerfestsetzung auf 52.645,– DM und die Zinsfestsetzung auf 9.796,– DM, da er nunmehr die Gegenleistung in Höhe von 455.000,– DM als Bruttoentgelt ansah. Die auf die Veräußerung der Waren und der Einrichtung entfallende Umsatzsteuer betrug demnach nur noch 59.347,– DM.

Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2004 wies der Bekl. die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG zwar auch dann vorlägen, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind. Dies setze nach den Urteilen des BFH vom 4. Juli 2002 (V R 10/01, BFH/NV 2002, 1684) und vom 28. November 2002 (V R 3/01, BFH/NV 2003, 436) jedoch voraus, dass sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens gewährleistet ist. Im Streitfall läge keine dauerhafte Nutzungsüberlassung vor, da der Mietvertrag eine vierteljährliche Kündigungsfrist vorsehe. Tatsächlich habe das Mietverhältnis auch nicht über einen langen Zeitraum bestanden.

Am 7. Juli 2004 hat die Klin. Klage erhoben.

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