Entscheidungsstichwort (Thema)

Unverzügliche Selbstnutzung eines Familienheims

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Familienheim i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG setzt voraus, dass sich dort der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet.

2) Ein Familienheim ist regelmäßig unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken des Erwerbers bestimmt, wenn der Erwerber innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach Erwerb die Absicht zur Selbstnutzung fasst und umsetzt.

3) Ausnahmsweise kann dies auch noch nach Ablauf von sechs Monaten der Fall sein, wenn hierfür Umstände verantwortlich sind, die nicht im Einflussbereich des Erwerbers liegen.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.05.2019; Aktenzeichen II R 37/16)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob für das von Todes wegen auf den Kläger übergegangene Familienwohnheim des Erblassers die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zu gewähren ist.

Der Kläger beerbte seinen am 00.00.0000 verstorbenen Vater neben seinem Bruder zu einem Anteil von 72/100. Der beim Tod seines Vaters 58jährige Kläger ist mit seiner Familie in R ansässig. Seine langjährige Arbeitsstelle als Programmierer befand sich in S. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten seines Arbeitgebers beendete der Kläger zum Jahresende 2015 das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung. Seitdem ist er arbeitslos.

Ausweislich des Testaments vom 05.03.1999 sollte der Kläger den Grundbesitz A-Straße 1 in N, der dem Erblasser als Familienwohnheim gedient hatte, zu Alleineigentum erhalten (vgl. §§ 2 und 5 Ziffer 1 des Testaments, Blatt 7/8 und 9 der Erbschaftsteuerakte). Außerdem war der Kläger hinsichtlich des seinem Bruder, der in einer Einrichtung für behinderte Menschen lebt, zugewendeten Erbanteils als Testamentsvollstrecker eingesetzt.

Nach Abgabe der Erbschaftsteuererklärung am 12.06.2014 setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer gegenüber dem Kläger durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 27.06.2014 auf X Euro fest. Der Grundbesitz A-Straße wurde mit einem geschätzten Wert von X Euro als Nachlassgegenstand erfasst.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 14.07.2014 Einspruch ein mit dem Begehren, die Übertragung des Grundbesitzes A-Straße gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerfrei zu belassen. Der Grundbesitz, ein Zweifamilienhaus mit ca. 120 qm Wohnfläche, sei von seinem Vater vollständig zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden. Er selbst wolle diesen Grundbesitz renovieren und ebenfalls selbst nutzen. Ein Verkauf oder eine Vermietung seien nicht beabsichtigt. Die notarielle Eigentumsumschreibung auf ihn als Alleineigentümer habe sich langwierig gestaltet. Er habe auf Seiten seines Bruders als Betreuer nicht allein handeln können, sondern ein Ergänzungsbetreuer habe eingeschaltet und die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts eingeholt werden müssen.

Der notarielle Vermächtniserfüllungsvertrag datiert vom 20.02.2015 (Vorhefter Erbschaftsteuerakte). Die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch auf den Kläger erfolgte am 02.09.2015. Im Übrigen sei für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ausreichend, dass der Grundbesitz zu eigenen Wohnzwecken bestimmt werde. Der Gesetzeswortlaut fordere keine Verlegung des Hauptwohnsitzes. Es genüge, dass der Grundbesitz unverzüglich in Besitz genommen werde, was vorliegend erfolgt sei. Darüber hinaus seien Renovierungs- und Reparaturmaßnahmen vorgenommen worden (vgl. Schriftsatz vom 14.9.2015 nebst Anlagen in der Erbschaftsteuerakte).

Nach Feststellung des Grundbesitzwertes durch Bescheid vom 24.07.2015 auf X Euro änderte der Beklagte die Erbschaftsteuerfestsetzung dementsprechend durch Bescheid vom 17.09.2015 und setzte die Erbschaftsteuer weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf X Euro fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid in der Erbschaftsteuerakte Bezug genommen.

Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 06.11.2015 als unbegründet zurück. Für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG reiche die bloße Widmung der Wohnung durch den Erben nicht aus. Vielmehr sei eine tatsächliche Umsetzung durch Einzug in das Familienheim erforderlich. Diese müsse unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, geschehen. Daran fehle es hier, denn der Kläger lebe weiterhin mit seiner Familie in R. Selbst wenn der Kläger den Grundbesitz weder veräußern noch vermieten wolle, sei Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung, dass die Wohnung den Lebensmittelpunkt der Familie des Klägers bilde. Davon sei angesichts des Vortrags des Klägers, der von einer Wochenendnutzung spreche, nicht auszugehen. Von einer unverzüglichen Selbstnutzung sei im Übrigen nach der Rechtsprechung dann auszugehen, wenn der Erbe die Wohnung im Lauf von sechs Monaten nach dem Erbfall tatsächlich selbst als Lebensmittelpunkt nutze. Diese Frist sei bereits lange verstrichen, ohne dass der Kläger gravierende Hinderungsgründe vorgetragen habe. Bei den belegmäß...

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