Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Unternehmereigenschaft einer Aufsichtsratstätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nichtselbständig ausgeübt, soweit eine natürliche Person einem Unternehmen so eingegliedert ist, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist. Eine Weisungsgebundenheit des Stpfl. im Hinblick auf seine Aufsichtsratstätigkeit ist gem. § 111 Abs. 5 AktG i.V.m. § 116 AktG ausgeschlossen. Gem. § 111 Abs. 5 AktG, wonach die Aufsichtratsmitglieder ihr Amt höchstpersönlich wahrzunehmen haben, schließt zwar nicht ausdrücklich, aber doch sinngemäß die Unterwerfung unter den Willen anderer aus.

 

Normenkette

UStG § 10; AktG § 111 Abs. 5, § 116; UStG § 2 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.11.2019; Aktenzeichen V R 23/19 (V R 62/17))

BFH (Urteil vom 27.11.2019; Aktenzeichen V R 23/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft, das Angestellter der Konzernmutter ist und in den Aufsichtsrat einer Tochtergesellschaft entsandt wird, mit seiner Aufsichtsratstätigkeit umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer ist.

Der Kläger war in den Streitjahren 2013–2015 leitender Angestellter (Leiter der Organisationseinheit Strategie Konzern) der S. Aktiengesellschaft, F. Außerdem war er in den Streitjahren bis zum 2.3.2015 Aufsichtsratsmitglied der E. AG, I., einer damals 100%igen Tochter der S. Aktiengesellschaft. Gemäß § 13 Abs. 1 der Satzung der E. AG erhält jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine jährliche Festvergütung von 20.000 Euro und im Falle einer nicht ganzjährigen Tätigkeit einen zeitanteiligen Anteil davon (§ 13 Abs. 3 Satzung). Gemäß § 13 Abs. 4 der Satzung werden den Aufsichtsratsmitgliedern die durch die Ausübung ihres Amtes entstehenden Auslagen – einschließlich einer etwaigen auf die Vergütung und den Auslagenersatz entfallenden Umsatzsteuer – erstattet.

Gemäß § 4 Abs. 4 des Anstellungsvertrags zwischen dem Kläger und der S. Aktiengesellschaft sind Vergütungen für die Wahrnehmung unter anderem von Aufsichtsratsmandaten in Konzern- und Beteiligungsgesellschaften jährlich der Gesellschaft zu melden und abzuführen. Die Abführung erfolgt jährlich über die Verrechnung bei der Auszahlung der Tantiemen.

Die E. AG rechnete gegenüber dem Kläger die Aufsichtsratsvergütung für 2013 mit Gutschrift vom 10.12.2013 unter offenem Umsatzsteuerausweis (netto: 20.000 Euro, Umsatzsteuer 19 %, 3.800 Euro, gesamt: 23.800 Euro) ab. Dieser Gutschrift widersprach der Kläger mit Schreiben vom 16.12.2014. Der Kläger zahlte die Umsatzsteuer i.H.v. 3.800 Euro im Jahr 2015 an die E. AG zurück. Für 2014 rechnete die E. AG die Aufsichtsratsvergütung per Gutschrift ohne Umsatzsteuerausweis i.H.v. 20.000 Euro ab. Für den Zeitraum 1.1.2015–2.3.2015 rechnete die E. AG die Aufsichtsratsvergütung per Gutschrift i.H.v. 3.342,47 Euro ohne Umsatzsteuerausweis ab.

Der Kläger gab für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen ab, mit denen er für 2013 und 2014 jeweils 3.800 Euro Umsatzsteuer und für 2015 533,52 Euro erklärte.

Innerhalb der Monatsfrist nach Erklärungsabgabe legte der Kläger jeweils Einsprüche ein, mit denen er geltend machte, seine Aufsichtsratstätigkeit sei nicht unternehmerisch. Am 19.3.2016 gab der Kläger berichtigte Umsatzsteuererklärungen für 2013 und 2014 ab, mit denen er jeweils 3.193,14 Euro erklärte (19 % aus 20.000 Euro). Den geänderten Erklärungen stimmte der Beklagte jeweils zu. Mit Einspruchsentscheidung vom 4.4.2016, auf die wegen des Inhalts verwiesen wird, wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die Klage.

Der Kläger meint, er habe die Aufsichtsratstätigkeit im Rahmen seiner nichtselbstständigen Haupttätigkeit als leitender Angestellter der S. Aktiengesellschaft ohne gesonderte Vergütung ausgeübt. Er habe bei seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied kein Unternehmerrisiko getragen, denn aufgrund des Arbeitsvertrags mit der S. Aktiengesellschaft sei er von jeglichem Erwerbsrisiko freigestellt, aber andererseits auch nicht am Erfolg beteiligt, weil er die Aufsichtsratsvergütung abzuführen gehabt habe.

Der Kläger habe auch keine Unternehmerinitiative gehabt, denn seine Tätigkeit habe in einem engen ursächlichen Zusammenhang mit seiner nichtselbständigen Haupttätigkeit gestanden. Die OFD Frankfurt/M. verneine in einer Rundverfügung vom 4.4.2014 die Selbständigkeit von Beamten und anderen Bediensteten einer Gebietskörperschaft, die als Aufsichtsratsmitglieder tätig sind. Diese Maßstäbe müssten auch im privatrechtlichen Bereich angewendet werden. Sowohl bei Beamten wie bei Arbeitnehmern bestünden Weisungsrechte des Dienstherrn/Arbeitgebers (§ 35 S. 2 Beamtenstatusgesetz, § 106 Gewerbeordnung). Die Aufsichtsratstätigkeit eines Anteilseignervertreters werde nicht aufgrund eigener Entscheidung des Arbeitnehmers übernommen, sondern als zusätzliche Aufgabe im Rahmen des Angestelltenverhältnisses. Der Arbeitgeber habe aufgrund seiner Mehrheit in der Hauptversa...

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