Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitlicher Vertragsgegenstand bei Erwerb eines Erbbaurechts, für das der Erwerber selbst ein Bebauungsprojekt entwickelt hat

 

Leitsatz (redaktionell)

Grunderwerbsteuerlich liegt auch dann ein sog. einheitlicher Vertragsgegenstand vor, wenn der Erwerber eines Erbbaurechts von der Kirchengemeinde im Auftrag dieser ein Bebauungskonzept entwickelt, dieses mit dem Bauamt abstimmt und - ohne dass die Kirchengemeinde darauf Einfluss hat - die ausführende Baufirma einbezieht.

 

Normenkette

GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen II R 50/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vorliegt, mit der Folge, dass die Aufwendungen für die Herstellung einer Wohnung in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

Am 12.07.2011 beschloss die Kirchengemeinde T (Kirchengemeinde) durch eine einstweilige Anordnung nach der Kirchenordnung, ein veräußerliches und vererbliches Eigentümer-Erbbaurecht auf die Dauer von 99 Jahren an den zum Kirchenvermögen gehörenden Grundstücken A-Str. für sich selbst zu bestellen. Gleichzeitig sollte die Teilung des Erbbaurechts nach dem Wohnungseigentumsgesetz verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan bezeichneten sechs Wohnungen erfolgen. Der jährliche Erbbauzins sollte insgesamt 7.332 EUR betragen und entsprechend auf die einzelnen Wohnungs- und Teilerbbaurechte nach den Miteigentumsanteilen verteilt werden. Weiter heißt es, den folgenden Übertragungsverträgen über die jeweiligen Miterbbaurechtsanteile an dem Erbbaurecht verbunden mit dem Sondereigentum werde zugestimmt:

„1. Frau J H, …,

(Kaufpreis 169.000 EUR)

2. Herr T M, …,

(Kaufpreis 119.000 EUR)

3. Herr N L, …,

(Kaufpreis 165.000 EUR)

4. Eheleute S T und H T, …,

(Kaufpreis 169.000 EUR)

5. Frau C U, …,

(Kaufpreis 129.000 EUR)

6. Eheleute S U und M U, …,

(Kaufpreis 177.000 EUR).”

In der einstweiligen Anordnung, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, wird hingewiesen auf vorherige (durch die einstweilige Anordnung abgeänderte) Beschlüsse der Kirchengemeinde vom 10.02.2011 und vom 05.05.2011.

Bereits bevor die einstweilige Anordnung vom 12.07.2011 beschlossen wurde, hatte der Kläger, der Immobilienmakler und eingetragener Kaufmann ist, ein Exposee veröffentlicht, das die Erbbaurechte sowie die zu errichtenden Eigentumswohnungen betraf. Das Exposee wies den Kläger als Ansprechpartner aus und trug auch das Logo der B GmbH & Co. KG. In dem Exposee führte der Kläger unter anderem wörtlich aus, „hier, direkt vor meiner Tür, plane ich mit der Fa. B eine besondere Immobilie auf Erbpacht.

Die Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen sind gemacht und geschnitten für kleine Familien, Singles und für Paare auch im besten Alter. …” Weiter ist wörtlich ausgeführt: „Ein Schlüssel, ein Preis ist unser Motto !!!”. Das zukünftige Eigentum werde komplett ausgestattet übergeben. Alle Materialien lägen beim Bauträger zur Einsicht bereit. Zur Höhe der Erbpacht ist in dem Exposee ausgeführt, aus Erfahrung kenne er, der Kläger, die Skepsis gegenüber der Erbpacht; durch den günstigen Bodenrichtwert werde ein außergewöhnlich niedriger Erbpachtzins von nur 1,10 EUR monatlich pro Quadratmeter Wohnfläche ermöglicht. Das Exposee enthielt insoweit folgende Aufstellung:

Wohnfläche

monatliche Erbpacht

Wohnung 1

102,55 qm

112,45 EUR

Wohnung 2

70,65 qm

77,47 EUR

Wohnung 3

98,62 qm

108,14 EUR

Wohnung 4

102,55 qm

112,45 EUR

Wohnung 5

73,25 qm

80,32 EUR

Wohnung 6

106,77 qm

117,08 EUR

Die Kaufpreise für die Wohnungen wurden in dem Exposee wie folgt aufgelistet:

Wohnung 1

EG links

3-Zimmer-Terasse

103 qm

169.000 EUR

Wohnung 2

EG mitte

2-Zimmer-Terasse

71 qm

119.000 EUR

Wohnung 3

EG rechts

3-Zimmer-Terasse

99 qm

165.000 EUR

Wohnung 4

OG links

3-Zimmer-Terasse

103 qm

169.000 EUR

Wohnung 5

OG mitte

2-Zimmer-Terasse

74 qm

129.000 EUR

Wohnung 6

OG rechts

3-Zimmer-Terasse

107 qm

177.000 EUR

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Exposee verwiesen.

Vor dem Beschluss der Kirchengemeinde vom 12.07.2011 und der Erstellung des Exposees ging – ausweislich der vom Gericht angeforderten Bauakte – am 26.04.2011 eine Bauvoranfrage für die Errichtung der sechs Eigentumswohnungen beim Bauamt der Stadt C ein. Entwurfsverfasserin war die Architektin T. Als Bauherrin/Antragstellerin ist die B GmbH & Co. KG aufgeführt. Die beigefügten Planungsunterlagen datieren von April 2011. Nach Erteilung des Bauvorbescheids am 10.05.2011 ging der eigentliche Bauantrag mit Planungsunterlagen, die vom 16./22.06.2011 datieren, am 07.07.2011 beim Bauamt ein. Die Baugenehmigung wurde der B GmbH & Co. KG am 18.08.2011 erteilt.

Mit notariellem Vertrag vom 20.07.2011 bestellte die Kirchengemeinde ein EigentümerErbbaurecht. Zum Inhalt des Erbbaurechts heißt es unter anderem, der Erbbauberechtigte sei berechtigt und verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück ein Mehrfamilienhaus mit sechs Eigentumswohnungen und den dazu erforderlichen Nebenanlagen zu errichten. Im zweiten Teil des Vertrags ist geregelt, d...

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