Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche Erstausbildung, Bachelor- und Masterstudium, Anzeige bei der Familienkasse

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Bachelor- und ein anschließendes Masterstudium stellen auch dann eine einheitliche Erstausbildung dar, wenn die beabsichtigte Aufnahme des Masterstudiums nicht unmittelbar nach dem Bachelorabschluss bei der Familienkasse angezeigt wurde.

2) Der Zeitpunkt, zu dem der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet wird, kann nur als Indiz für bzw. gegen die Glaubhaftigkeit des erklärten Sachvortrags gewertet werden.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin für den Zeitraum von Mai 2015 bis August 2017 Kindergeld für ihren aus erster Ehe stammenden Sohn L (geb. am 00.00.1992) zusteht.

L absolvierte im Fach Maschinenbau „Bachelor of Engineering”) im April 2015 sein Bachelorexamen. Mit Bescheid vom 08.04.2015 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber der Klägerin daraufhin auf.

L schloss am 12.02.2015 bei Firma H einen Dienstvertrag abgeschlossen, in dem er sich zu einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden verpflichtet hat.

Nachdem L sein Zeugnis am 26.06.2015 erhielt, bewarb er sich an der Fachhochschule FH in S, um dort einen „Master of Engineering” (Verbundstudiengang Maschinenbau (M.Eng.)) zu erhalten. Das Ende der Bewerbungsfrist für den Studienbeginn am 01.09.2015 war der 15.07.2015. Studienvoraussetzung bei der Fachhochschule FH ist u.a. der Abschluss eines Bachelorstudiengangs in technisch orientierten Studiengängen mit einer Gesamtnote von mindestens 2,5. Diese Anforderungen erfüllte L.

Das Masterstudium hat er im September 2015 begonnen. Voraussichtliches Ende des Masterstudiums war im Herbst 2018.

Am 04.07.2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für L rückwirkend ab Mai 2015 Kindergeld. Mit Bescheid vom 13.07.2017 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab.

Der von der Klägerin erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017).

Ihre Klage (Eingang: 28.11.2017) begründet die Klägerin damit, dass L seit Beginn seiner Ausbildung beabsichtigt habe, das Masterstudium im Fach Maschinenbau abzuschließen. Für den von L beabsichtigten Werdegang sei der Abschluss eines Masterabschlusses unumgänglich. Dies zeige sich auch an den für ihren Sohn einschlägigen Stellenausschreibungen. Hieraus sei deutlich zu erkennen, dass neben diversen anderen Voraussetzungen auch die Qualifikation des Masters für das von L angestrebte Ausbildungsziel erforderlich sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von der Klägerin zu den Verwaltungsakten übersandten Stellenausschreibungen Bezug genommen.

Bereits umgehend nach seinem Bachelorabschluss habe sich L an der Fachhochschule zu Beginn des Wintersemesters am 01.09.2015 eingeschrieben. Somit hätten zwischen dem Bachelorabschluss und dem Beginn des Masterstudiums nur vier Monate gelegen. Es sei daher von einer einheitlichen Ausbildung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auszugehen. Hierzu verweist sie insbesondere auf die Urteile des BFH vom 03.09.2015 (Az. VI R 9/15) sowie vom 08.09.2016 (Az. III R 27/15).

Trotz des Abschlusses des Dienstvertrages habe für L festgestanden, dass er einen Masterabschluss erlangen wolle. Für die Gewährung von Kindergeld sei dies auch nicht erheblich. Nach Auffassung des BFH werde eine Berufsausbildung nicht durch eine Teilzeit- oder Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen, wenn die Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betrieben werde. Dass L seine Ausbildung in diesem Sinne ernsthaft und nachhaltig betreibe, zeigten seine Abschlusszeugnisse. In diesem Zusammenhang sei ferner zu berücksichtigen, dass der von L abgeschlossene Vertrag beinhalte, dass er mit dem notwendigen Abschluss des Bachelors eine spezielle Aufgabe in seiner Abteilung habe durchführen können. Durch seine guten Arbeitsleistungen in dieser Abteilung habe man L dort schon frühzeitig eine Arbeitsstelle anbieten wollen, um ihn im Unternehmen zu halten. Um dieses Ziel ohne Beendigung einer guten Arbeitsstelle, ohne große finanzielle Einbußen, praxisnah und familienfreundlich durchführen zu können, gebe es die Möglichkeit des konsekutiven Master-Verbundstudiengangs Maschinenbau an der Fachhochschule FH in S. Um für diesen Studiengang zugelassen zu werden, sei das Zeugnis des „Bachelor of Engineering” als Nachweis vorzulegen bzw. einzureichen.

Schließlich ergebe sich der Anspruch der Klägerin auch aus Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung. Der Klägerin seien mindestens zwei vergleichbare Fälle aus dem Freundeskreis ihres Sohnes bekannt, dessen „Widerspruchsbescheid” positiv beschieden worden sei. Einer dieser Fälle sei sogar identisch mit dem vorliegenden Fall. Gründe für eine hiervon abweichende Handhabung seien vorliegend nicht ersichtlich.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 aufzuheben u...

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