Entscheidungsstichwort (Thema)

Kapitalertrag, Aktientausch, Barausgleich, Anschaffungskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

Der bei einem Aktientausch gezahlte Barausgleich unterliegt gemäß § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG in vollem Umfang als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung nach § 32d Abs. 1 EStG. Ein Abzug anteiliger Anschaffungskosten ist gesetzlich nicht vorgesehen und verfassungsrechtlich nicht geboten.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 4a S. 2, § 32d Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.02.2022; Aktenzeichen VIII R 44/18)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abziehbarkeit von anteiligen Anschaffungskosten bei der Versteuerung von Barabfindungen, die im Zuge eines Anteilstausches gezahlt werden.

Der verheiratete Kläger wurde im Streitjahr 2015 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In seinem Aktiendepot bei der Bank D (Nr. xxx) befanden sich im Jahr 2015 zunächst 2.000 Aktien der Firma M (USA). Diese hatte er jeweils zur Hälfte am 26.7.2013 für 44,65 USD pro Stück und am 23.5.2014 für 60,43 USD pro Stück, insgesamt für 105.080,00 USD, angeschafft. Per 12.6.2015 buchte die Bank D sämtliche M-Aktien aus seinem Depot aus und buchte dafür 581,800 Stück Aktien der S (USA) ein. Zusätzlich kam es zu einer Barauszahlung i. H. v. 50,50 USD pro Aktie der M insgesamt 101.000 USD. Am 16.6.2015 erläuterte die Bank D hierzu, dass die Aktien per 12.6.2015 umgetauscht würden im Verhältnis von 1 zu 0,2909 zzgl. 50,50 USD in bar wegen einer Fusion. Die angefallenen Aktienbruchteile würden in bar vergütet. Ausweislich der Erträgnisaufstellung vom 10.2.2016 (dort S. 26) behielt die Bank D für eine Ausschüttung i. H. v. 89.801,73 EUR im Zusammenhang mit der Einbuchung der S-Aktien per 12.6.2015 Kapitalertragsteuer i. H. v. 22.450,43 EUR zzgl. Solidaritätszuschlag i. H. v. 1.234,77 EUR ein.

In der Jahressteuerbescheinigung vom 10.2.2016 wies die Bank D für das Kalenderjahr 2015 Kapitalerträge lt. Zeile 7 der Anlage KAP mit insgesamt 169.280,79 EUR aus. In dieser Summe war die Barauszahlung von 89.801,73 EUR enthalten, die der Kläger neben den S-Aktien erhalten hatte. Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2015 die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Die Höhe der Kapitalerträge korrigierte er dabei um den Betrag von 93.425,18 EUR nach unten. Von diesen 93.425,18 EUR entfielen 89.801,73 EUR auf den Kurswert der ausgebuchten M-Aktien und 3.623,45 EUR auf die Differenz zwischen den Anschaffungskosten dieser Aktien (105.080 USD) und der gezahlten Barabfindung (101.000 USD), insgesamt 4.080 USD, umgerechnet zum Stichtag 12.6.2015 mit einem Kurs von 0,8881 EUR. Hierzu führte der Kläger aus, die Bank D habe den Vorgang wider besseres Wissen falsch deklariert, nämlich so, als hätte S ohne Gegenleistung eine Barausschüttung erbracht. Tatsächlich habe die Firma S die Firma M käuflich erworben. Er habe aus dem Zwangsverkauf einen Verlust erlitten.

Im ersten Einkommensteuerbescheid 2015 vom 1.3.2017 erfasste der Beklagte Kapitalerträge i. H. v. 206.806 EUR bei der Berechnung der nach § 32d Abs. 1 EStG (Abgeltungssteuer) besteuerten Einkünfte. Die von der Bank D bescheinigten Kapitalerträge waren in diesem Betrag in vollem Umfang enthalten.

Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG nicht zu akzeptieren sei. Nach dieser Regelung gelte eine Gegenleistung (Barabfindung), die der Steuerpflichtige zusätzlich zu seinen Anteilsverkäufen erhalte, als Kapitalertrag i.S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Wenn mit dieser Vorschrift eine Gegenleistung für den Erhalt der Anteile der Steuer unterworfen werde, greife sie auf Vermögensgegenstände zu, die nicht der Einkommensteuer unterlägen. Soweit die Barabfindung einen Vermögensrückfluss darstelle, unterliege sie nach der BFH-Entscheidung vom 20.10.2016 VIII R 10/13, BStBl II 2017, 262, nicht der Besteuerung. Von der erhaltenen Barabfindung i. H. v. insgesamt 89.801 EUR seien lediglich 22.149 EUR zu versteuern. 67.650 EUR, d.h. 72,14 v. H. des Gesamtbetrages, seien „untergegangene Anschaffungskosten der M-Aktien”, die, um eine Substanzbesteuerung zu vermeiden, nicht besteuert werden dürften. Bei dieser Berechnung ging der Kläger von einem „Erlös” für die 2.000 M-Aktien von insgesamt 124.480 EUR aus (Barabfindung 89.801 EUR zzgl. 34.679 EUR in S-Aktien, bei 581,8 S-Aktien zum Wert von 66,76 USD pro Aktie). Die Barabfindung mache 72,14 v. H. des „Erlöses” aus. 67.650 EUR, d.h. 72,14 v. H. der Anschaffungskosten der M-Aktien von insgesamt 105.808 USD (umgerechnet 93.779 EUR), dürften nicht besteuert werden, denn in dieser Höhe werde der Kapitalrückfluss doppelt besteuert, einmal aus versteuerten Anschaffungskosten und einmal als nicht berücksichtigter Aufwand im Rahmen des Aktientausches.

Während des Einspruchsverfahrens änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2015 am 12.5.2017 aus ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge