Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbehelfsbelehrung ohne Hinweis auf die Möglichkeit elektronischer Einspruchseinlegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die ohne Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form (nur) den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz AO wiedergibt, ist auch dann nicht unrichtig i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn die Behörde den Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente i.S. des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO eröffnet hat.

 

Normenkette

AO §§ 356-357, 87a; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3; AO § 355

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.12.2012; Aktenzeichen I B 127/12)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Antragstellerin rechtzeitig Einspruch gegen eine Anordnung des Steuerabzuges gem. § 50a Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingelegt hat und – bejahendenfalls – ob die Anordnung insbesondere mit Blick auf ein zwischenzeitlich über das Vermögen der Vergütungsberechtigten eröffnetes Insolvenzverfahren rechtmäßig ist.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb, der Umbau, die Verwaltung, Bewirtschaftung und spätere Veräußerung der Gewerbeimmobilie mit der postalischen Anschrift „M.-Straße 01” in E. ist.

Sie erwarb mit Vertrag vom 28. September 2011 (UR Nr. …./2011 des Notars M1., J.) von der XXXX B.V. mit Sitz in den Niederlanden das in E. belegene Objekt M.-Straße 01. Der Kaufpreis betrug 10.500.000 EUR. Eine „1. Rate” in Höhe von 525.000,00 EUR hatte die Antragstellerin bereits vor der Vertragsbeurkundung auflagenfrei auf ein Notaranderkonto eingezahlt (§ 2 – 2.1. des Vertrages). Der Restkaufpreis war innerhalb von 10 Arbeitstagen nach dem Absenden der schriftlichen Bestätigung des Notars über den Eintritt weiterer Fälligkeitsvoraussetzungen zu zahlen (§ 2 – 2.3. des Vertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag vom 28. September 2011 Bezug genommen.

Nachdem der Antragsgegner von der Veräußerung des Objektes an die Antragstellerin erfahren hatte, ordnete er am 10. Oktober 2011 gegenüber der Antragstellerin einen Steuerabzug gem. § 50a Abs. 7 EStG in Höhe von 7% der Vergütungen aus dem Grundstückskaufvertrag an (735.000 EUR). In dem als Vordruck gestalteten Bescheid, der keinen Hinweis auf eine E-Mail Adresse des Antragsgegners enthält, erläuterte der Antragsgegner durch entsprechende Markierungen, dass die Anordnung des Steuerabzugs zweckmäßig sei, weil der Vergütungsgläubiger seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht in vollem Umfang nachgekommen sei und im Inland über kein bzw. nicht ausreichendes vollstreckbares Vermögen verfüge. Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lautet:

„Gegen die Anordnung eines Steuerabzuges ist der Einspruch gegeben. Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens. Der Einspruch ist bei dem auf Seite 1 bezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären.

Auch der Steuerschuldner kann Einspruch einlegen.

Die Frist für die Einlegung beträgt…”

Der Bescheid wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 12. Oktober 2011 bekannt gegeben.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 bat der Antragsgegner die Antragstellerin um Mitteilung, wann der Kaufpreis gezahlt und warum ggfls. kein Steuerabzug durchgeführt worden sei.

Im Zusammenhang mit der Überlassung der Löschungsbewilligung betreffend das Objekt M.-Straße 01 erteilte die Grundpfandgläubigerin, die Y.-Bank, dem beurkundenden Notar am 4. Januar 2012 einen Treuhandauftrag. Danach sollte der Notar bestätigen, dass die Antragstellerin einen Betrag von 775.425 EUR auf ein Notaranderkonto eingezahlt hat und dieser Betrag nach näher bezeichneten Maßgaben entweder an die Y.-Bank oder die Antragstellerin auszuzahlen war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Treuhandauftrag vom 4. Januar 2012 verwiesen.

Die Antragstellerin zahlte den „Restkaufpreis” für das Objekt M.-Straße 01 am 20. Januar 2012. Sie wurde am 15. März 2012 als Eigentümerin des Objektes in das Grundbuch von E. eingetragen.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2012 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass der Kaufpreis am 20. Januar 2012 gezahlt worden sei. Sie verwies zudem auf eine Bestätigung des Notars M1. vom 7. Februar 2012 über den Bestand eines Notaranderkontos in Höhe von 805.925,32 EUR. Gemäß der Treuhandabrede – so die Antragstellerin – habe sie einen entsprechenden Teil des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto hinterlegt. Durch diese Gestaltung habe vermieden werden sollen, dass im Falle einer tatsächlich niedrigeren Steuerfestsetzung aus dem Veräußerungsvorgang die Steuererstattung an die Grundstücksverkäuferin erfolge. Käme es hierzu, so wäre die Grundpfandrechtsgläubigerin – die Y.-Bank – geg...

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