Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Kinderfreibetrages 2014

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Höhe des Kinderfreibetrags im Veranlagungszeitraum 2014 ist nicht verfassungswidrig. Die im Jahr 2014 gewährten Freibeträge für das sächliche Existenzminimum in Höhe von 4.368 Euro und den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von 2.640 Euro für beide Elternteile stellen das Existenzminimum eines Kindes in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Höhe von der Besteuerung frei.

2. Mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16.7.2015 (BGBl I 2015 S. 1202) wurde zwar entgegen dem im Neunten Existenzminimumbericht ermittelten sozialhilferechtlichen Regelbedarf der Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum nicht um 72 Euro erhöht. Dies verstößt jedoch weder gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit gem. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG noch gegen das Diskriminierungsverbot von Eltern gegenüber Kinderlosen gem. Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG.

3. Die unterlassene Anhebung des Kinderfreibetrags für das sächliche Existenzminimum verstößt auch nicht gegen den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsatz der Folgerichtigkeit, weil der Deutsche Bundestag mit Beschluss vom 2.6.1995 (Bundestagsdrucksache 13/1558 vom 31.5.1995 und Plenarprotokoll 13/42 vom 2.6.1995) die Bundesregierung alle zwei Jahre zur Vorlage eines Berichts über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern verpflichtet hat und der Gesetzgeber den Vorgaben des Berichts mit Ausnahme des Einkommensteuerveranlagungsjahres 2014 stets gefolgt ist.

 

Normenkette

EStG 2014 § 31 S. 4, § 32 Abs. 6; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.07.2018; Aktenzeichen III R 13/17)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Strittig ist, ob die sächlichen Kinderfreibeträge für die beiden Kinder des Klägers deren Existenzminimum im Streitjahr 2014 abdecken.

Der Kläger, der im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen erzielte, wurde ohne Abweichung von den Angaben in der eingereichten Steuererklärung mit Bescheid vom 01. Juni 2015 zur Einkommensteuer veranlagt. Für seine beiden im Jahre 2002 und 2005 geborenen Kinder erhielt der Kläger, der nicht mit seiner Ehefrau zusammen, sondern einzeln veranlagt wurde, im Streitjahr jeweils Kindergeld in Höhe von 1.104 EUR. Im Rahmen der sogenannten Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) wurde die tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum erhöht und es wurden die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von 7.008 EUR vom Einkommen abgezogen.

Der Einkommensteuerbescheid erging gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) vorläufig u. a. hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG. Nach den Erläuterungen zur Festsetzung im Bescheid erfasst die Vorläufigkeitserklärung sowohl die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind, als auch den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof die streitige verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschriften entscheidet.

Gegen den Einkommensteuerbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 18. Juni 2015, beim Finanzamt eingegangen am 23. Juni 2015, Einspruch ein, mit der Begründung, die im Rahmen der Einzelveranlagung berücksichtigten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von jeweils 3.506 EUR (Kinderfreibetrag 2.184 EUR und Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf 1.320 EUR) seien zu niedrig, um das Existenzminimum des Kindes vollständig von der Einkommensteuer freizustellen. Nach dem neunten Existenzminimumbericht (Drucksache vom 17. November 2012 des Deutschen Bundestages 17/11425, Seite 7) betrage das sächliche Existenzminimum je Kind 4.440 EUR (2.220 EUR je Elternteil) im Jahr 2014. Der im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung berücksichtigte Freibetrag je Kind sei daher bei der Einzelveranlagung um jeweils 36 EUR bzw. bei Berücksichtigung beider Elternteile um 72 EUR zu niedrig.

Der Beklagte (das Finanzamt) wies den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung vom 3. September 2015 wird verwiesen.

Mit der dagegen eingereichten Klage macht der Kläger geltend, die Klage sei zulässig, insbesondere fehle ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Auch bei einem vorläufig ergangenen Bescheid aufgrund eines beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Musterverfahrens könne einer Klage nicht allein deshalb das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, da bei einem Streit über eine verfassungsrecht...

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