Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung von Grundstücken an eine Obergesellschaft. Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des im zivilrechtlichen Eigentum einer (Unter-) Gesellschaft stehenden Grundvermögens an deren Obergesellschaft setzt voraus, dass Letztere aufgrund eines (früheren) unter § 1 GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs als Erwerberin des Grundvermögens anzusehen ist. Daran fehlt es, wenn die Untergesellschaft erst nach Begründung der Beteiligung der Obergesellschaft an der Untergesellschaft Grundbesitz erworben hat.

2. Ein i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Vorgang liegt nicht vor, wenn bereits vor dem Erwerb weiterer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft die qualifizierte Mehrheit von mindestens 95% erreicht war.

3. Der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist nicht im Wege einer „teleologischen Extension” dahin auszulegen, dass allein die Aufstockung einer (bereits vor dem 1.1.2000 bestehenden und mehr als 95%igen, jedoch weniger als 100%igen) Beteiligung auf eine dann 100%ige Beteiligung nach dem 31.12.1999 steuerbar ist.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 2a, 3 Nr. 1, § 6 Abs. 3 S. 2, § 13 Nr. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.12.2021; Aktenzeichen II R 44/18)

 

Tenor

1. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 4. April 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2015 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer (GrESt) und insbesondere, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vorliegen …

Mit notarieller Vereinbarung vom … 2011, auf die wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, trat Y die beiden einzigen Geschäftsanteile an der ABC GmbH sowie den einzigen Kommanditanteil an der ABC KG – jeweils mit Wirkung zum … 2011 – an die ABC S.e.c.s., eine luxemburgische Personengesellschaft, gegen Gewährung neuer Anteile an der ABC S.e.c.s. ab. Weder die ABC GmbH noch die ABC KG haben Grundbesitz. Das Gesellschaftsvermögen der ABC S.e.c.s. hielt auch zuvor allein Y. Weiterer Gesellschafter der ABC S.e.c.s. war die ABC S.a.r.l., eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts, deren Anteile ebenfalls von Y gehalten wurden.

Die ABC KG war wiederum als Kommanditistin zu 100 % an der Klägerin, einer inländischen KG, beteiligt, welche wiederum Alleingesellschafterin verschiedener Tochtergesellschaften ist, die Eigentümer von Grundstücken sind. Die Z AG … ist eine dieser grundbesitzenden Tochtergesellschaften der Klägerin.

Die Z AG wurde im Rahmen einer Bargründung durch die Klägerin und durch … natürliche Personen mit notarieller Urkunde vom … errichtet. Von den … Inhaberaktien der Z AG übernahm die Klägerin … 99,97 %. ….

Im Zeitraum … nach der Bargründung erwarb die Z AG die streitgegenständlichen … Grundstücke.

Mit Kaufverträgen vom … 2002 übernahm die Klägerin die (bislang nicht von ihr gehaltenen) … Aktien an der Z AG, so dass sie ab diesem Zeitpunkt zu 100 % an der Z AG beteiligt war.

Infolge dieser oben dargestellten Konzernumstrukturierung … erließ das beklagte FA (FA) am 22. November 2013 … einen an die Klägerin gerichteten Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die GrESt (Feststellungsbescheid), der mit dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) versehen war. In diesem Bescheid stellte das FA fest, dass die im Vermögen der Z AG befindlichen Grundstücke grunderwerbsteuerlich zum Vermögen der Klägerin gehören und die oben dargestellte Konzernumstrukturierung … im Hinblick auf die (in die ABC S.e.c.s. …) Grundstücke der Z AG nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG steuerbefreit ist. ….

Mit Vertrag vom … 2013 verkaufte die Klägerin 5,1 % der Anteile … an der Z AG … an die luxemburgische Kapitalgesellschaft DEF S.a.r.l. ….

Mit notariellem Vertrag vom … 2013 wurde die ABC KG in die Rechtsform einer KGaA formgewechselt ….

Am 4. April 2014 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten, die GrESt betreffenden Feststellungsbescheid. Hierbei ging das FA davon aus, dass eine Änderung des Bescheids vom 22. November 2013 veranlasst wäre. So hätte sich der Anteil von Y am Vermögen der ABC S.e.c.s. durch den Anteilsverkauf vom …. 2013 durch die Klägerin an DEF S.a.r.l. innerhalb von fünf Jahren um 5,1 % vermindert. Des Weiteren hätte Y durch den Formwechsel … seine restliche gesamthänderische (sachenrechtliche) ...

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